Autor: Andreas Haßfeld
Andreas Haßfeld nahm am 01.09.1985 eine Ausbildung zum Betriebsschlosser bei der ICI auf und war danach in verschiedenen Funktionen in den Energiebetrieben des Werkes tätig. Er war lange Jahre Mitglied der Werkfeuerwehr und wurde in diversen Lehrgängen vielseitig u. a. als Atemschutzgeräteträger, Maschinist, Gerätewart und für Technische Hilfeleistung ausgebildet. Außerdem absolvierte er an der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal sämtliche Führungslehrgänge bis zum Führer in Einsatzleitungen (Führungsstab), wodurch er 1997 in den Führungsstab des Landkreises Karlsruhe berufen wurde. Als Ausbilder Grundausbildung und Truppführer war er bei der Ausbildung sowohl innerhalb als auch außerhalb des Werkes tätig. Als letzter aktiver Zugführer der Normalschicht verließ Andreas Haßfeld nach Abschluss der Rückbau- und Sicherungsmaßnahmen das Werk im Juni 2012. Bis heute ist er aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Östringen.
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Geschichte der Werkfeuerwehr
Gegründet wurde die spätere Werkfeuerwehr 1965 zunächst als Betriebsfeuerwehr, das heißt sie war nicht offiziell anerkannt. Mit der Aufnahme der Faserproduktion im April 1965 und dem damit verbundenen weiteren Wachstum des Werkes erfolgte 1966 durch das Landratsamt Bruchsal als Aufsichtsbehörde die Anerkennung als Werkfeuerwehr. Damit war sie der Freiwilligen Feuerwehr Östringen gleichgestellt und zunächst für den vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz auf dem Werksgelände eigenverantwortlich. Die Freiwillige Feuerwehr Östringen wurde von da an nur noch auf Anforderung durch die Werkfeuerwehr auf dem Werksgelände tätig. Dies hatte so bis in das Jahr 2011 Bestand. Die Ausrüstung wurde von Anfang an immer auf einem aktuellen, den Bedürfnissen des Werkes angepassten Stand gehalten.
Um den vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden, waren schon zu Anfang eigens zwei Mitarbeiter, Kommandant und Gerätewart, fest für die Werkfeuerwehr beschäftigt.
Mehrfach wurden ältere Fahrzeuge durch neue ersetzt, sowie nach der Schließung des Werkes Offenbach in der Pfalz ein Großteil der dortigen Ausrüstung sowie ein Fahrzeug LF 8 nach Östringen verlegt. Im Jahre 1996 fand ein kompletter Austausch des Fuhrparks der Werkfeuerwehr statt. Die beiden LF 8 und der Gerätewagen wurden durch ein LF 8/6, einen Gerätewagen Gefahrgut, einen Mannschaftstransportwagen, einen beplanten Tandemanhänger sowie ein Poly-Löschfahrzeug mit Elektroantrieb zum Einsatz in den Hallen ersetzt. Dies war wohl einer der größten Meilensteine seit Bestehen der Werkfeuerwehr. Zwei der ausgemusterten Fahrzeuge wurden, auf Initiative eines Bad Schönborner Kameraden, an eine Feuerwehr in Argentinien übergeben.
Die wohl größten Einsätze für die Werkfeuerwehr waren in den 1970er Jahren der Brand der Holzkühltürme auf dem Dach der Kompressorenstation sowie der Brand der noch aus der Bauzeit stammenden Holzbaracken auf der Südseite des Werkes bei der 110 KV-Stromstation. Aber auch zur Überlandhilfe wurde die Werkfeuerwehr aufgrund ihrer besonderen Ausrüstung alarmiert, so z. B. nach Bruchsal zum Brand der BEGENA im März 1983 und in Östringen bei größeren Bränden oder beim Jahrhunderthochwasser 2002. Da die Werkfeuerwehr bereits Ende der 1990er Jahre über eine Wärmebildkamera verfügte, wurde sie auch hiermit immer wieder zu Einsätzen außerhalb des Werkes alarmiert.
Vor allem zu der Freiwilligen Feuerwehr Östringen bestand eine enge Beziehung. Neben der gegenseitigen Unterstützung im Ernstfall und den gemeinsamen Feuerwehrübungen gab es auch eine enge personelle Verflechtung. Viele Mitglieder der Werkfeuerwehr waren auch aktive Mitglieder bei der Freiwilligen Feuerwehr in Östringen. Als Beispiel seien hier Artur Volz und Karl-Heinz Breitner, Kommandanten der Werkfeuerwehr, ebenso wie Andreas Haßfeld, der Autor dieses Berichtes, genannt.
So trat zur Einweihung des neuen Östringer Feuerwehrhauses im Juli 1967 Dipl. Ing. Christian Baumgarten von der ICI als Redner auf und lobte die Zusammenarbeit mit der Werksfeuerwehr.
Es lag auch im Eigeninteresse des Faserwerkes, dass die Ausrüstung der Östringer Feuerwehr auf einem modernen Stand war und das Faserwerk leistete mehrmals großzügige Spenden an die Östringer Feuerwehr. Hierzu einige Beispiele:
Von Anfang an wurde der Zusammenarbeit mit den umliegenden Feuerwehren ein großes Augenmerk geschenkt. So beteiligte sich die Werkfeuerwehr stets bei Großübungen und Unterkreisübungen oder stellte Sondergeräte bei Veranstaltungen zur Verfügung. Diese Zusammenarbeit wurde im Laufe der Zeit immer weiter verbessert und optimiert.
Um die Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen wie dem Technischen Hilfswerk (THW) oder dem Deutschen Roten Kreutz (DRK) zu trainieren, wurden regelmäßig Großübungen auf Basis von verschiedenen Katastrophenszenarien durchgeführt.
Seit der Beschaffung des Atemluftkompressors 1986 zusammen mit der Freiwilligen Feuerwehr Östringen, übernahm die Werkfeuerwehr den Fülldienst für Atemluftflaschen nach Übungen oder Einsätzen der Feuerwehren der Stadt Östringen, der Gemeinde Bad Schönborn sowie der Gemeinde Ubstadt-Weiher. Ebenso übernahm sie die kompletten Unterhaltungskosten für den Kompressor, was über die Jahre gesehen eine nicht unerhebliche finanzielle Entlastung für diese Gemeinden darstellte. Der Atemschutzausbildung in den Feuerwehren konnte dadurch ein weiterer, wichtiger Impuls gegeben werden.
Zum verbesserten Schutz des Werkes und der schnellen Unterstützung der Werkfeuerwehr bei eventuellen Großbränden oder großen Hilfeleistungen wurde Mitte / Ende der 1980er Jahre die Alarmstufe 2 eingeführt, bei deren Auslösung durch den Einsatzleiter der Werkfeuerwehr sofort die Feuerwehren Östringen, Odenheim, Mingolsheim, Langenbrücken und Zeutern alarmiert wurden. Hierdurch wurde ein erheblicher Zeitvorteil bei der Heranführung von Kräften und Material erreicht. Die Funktion dieser Alarmstufe wurde bei regelmäßig stattfindenden Hauptübungen getestet und funktionierte bis zur Auflösung der Werkfeuerwehr einwandfrei.
Alarmiert werden konnte die Werkfeuerwehr auf zwei Arten:
- Manuell durch die Pforte nach Eingang eines Notrufes per Telefon oder
- Automatisch durch Auslösung einer Meldelinie der automatischen Brandmeldeanlagen.
Bei beiden Alarmierungsarten erfuhren die Feuerwehrmänner den Einsatzort und den Sammelpunkt über im gesamten Werk installierte Feuertelefone, über die ein aufgesprochener Durchsagetext abgespielt wurde.
Nicht nur im abwehrenden, auch im vorbeugenden Brandschutz wurde viel getan im Werk Östringen. Bis zur Schließung des Werkes waren drei verschiedene automatische Brandmeldeanlagen mit weit mehr als 1.000 Brandmeldern in Betrieb. Diese alarmierten bei Erkennung von Rauch und/oder Wärme die Werkfeuerwehr bzw. die Feuerwehr Östringen. Zur frühzeitigen Brandbekämpfung waren nahezu 1.400 verschiedene Feuerlöscher (Pulver, Kohlendioxid und Schaum) im gesamten Werk verteilt. An besonders exponierten Stellen waren diese als sogenannte Feuerlöscherstützpunkte mit mehreren Feuerlöschern zusammengefasst.
Darüber hinaus waren mehrere automatische bzw. halbautomatische Löschanlagen installiert. Dazu zählten die Sprinkleranlage mit über 5.000 Sprinklern, welche bei Platzen eines Sprinklerkopfes durch Wärmebeaufschlagung automatisch Löschwasser versprüht (diese schützte den größten Teil des Werkes), drei Kohlendioxid-Löschanlagen (EDV-Rechenzentrum, Diphylkeller Kesselhaus und Lösemittellager) sowie zwei Schaumlöschanlagen für die Produktionsbereiche Spinnerei 1-5 und BCF-Süd.
Sowohl die Feuerlöscher als auch die Löschanlagen wurden durch die hauptberuflichen Kräfte der Werkfeuerwehr geprüft und gewartet.
Zur Bereitstellung von Löschwasser war um das Werksgelände eine Ringleitung mit 150 mm Durchmesser (DN 150) verlegt worden, auf der 27 Überflur- und einige Unterflurhydranten zur Wasserentnahme durch die Feuerwehr installiert waren. Weiterhin wurden damit auch alle in den Gebäuden verbauten Wandhydranten sowie die 3 installierten Schaumlöschanlagen gespeist. Die Ausführung als Ringleitung stellte sicher, dass die Hydranten immer von zwei Seiten versorgt wurden, was eine sichere und leistungsfähige Versorgung im Brandfall gewährleistete. Gespeist wurde die Ringleitung vom Wasserbunker über die Einspeiseleitung der Hohberg-Wassergruppe sowie zusätzlich noch aus einen 600 m3 fassenden Vorratsbehälter. Ein weiterer 600 m3 Behälter stand ausschließlich für die Versorgung der Sprinkleranlage bereit. Mittels vier Elektro- und einer Dieselpumpe im Wasserbunker wurde der Netzdruck bei Normalbetrieb konstant auf 5 – 6 bar gehalten. Im Bedarfsfall konnten durch automatische oder händische Zuschaltung alle Pumpen gleichzeitig betrieben werden, so dass der Netzdruck auf bis zu 12 bar erhöht und eine Einspeisung von 10.000 Litern pro Minute möglich war.
Darüber hinaus versorgte die Dieselpumpe eine eigene Entnahmestelle (DAF-Diesel-Verteiler) auf Höhe des heutigen Hochregallagers. Diese war notwendig, um für den Einsatz der zwei bei der Werkfeuerwehr vorhandenen Schaum-Wasserwerfer die dafür benötigte Wassermenge von ca. 2.500 Litern Wasser pro Werfer zu liefern. Ebenso konnte mit diesem Verteiler zusätzliches Löschwasser in die Sprinkleranlage eingespeist werden.
Die heutigen Eigentümer des Geländes, der Industriepark Östringen, betreiben diese Anlagen auch heute noch und haben sie modifiziert und modernisiert, wofür die Feuerwehr Östringen sehr dankbar ist.
Besonders gefährliche Arbeiten wie das Befahren von Behältern und engen Räumen oder Schweiß- und Brennarbeiten außerhalb der Werkstätten wurden besonders überwacht und durften nur nach vorheriger, schriftlicher Genehmigung durch die Werkfeuerwehr durchgeführt werden.
Bei Auflösung der Werkfeuerwehr im Jahre 2011 waren insgesamt ca. 100 freiwillige und sechs hauptberufliche Kräfte aktiv. Ungefähr 80 der freiwilligen sowie vier der hauptberuflichen Kräfte waren in der vollkontinuierlichen Schicht eingesetzt, so dass zu jeder Zeit mindestens eine Löschgruppe zur Verfügung stand. Die restlichen Kräfte waren in Tagschicht beschäftigt, damit während der normalen Arbeitszeit von Montag bis Freitag die Produktionsmitarbeiter nur bei größeren Einsätzen ihren Arbeitsplatz länger verlassen mussten.
Die Ausbildung der Feuerwehrmänner fand in zwei Schritten statt. Feuerwehrgrundausbildung, Truppführer-, Funk- und Atemschutzgeräteträgerlehrgang fanden werkintern statt. Dafür standen zehn Ausbilder (sechs haupt- und vier nebenberuflich) zur Verfügung. Ziel war es, dass jeder Angehörige der Werkfeuerwehr, der dazu geeignet war, diese vier Lehrgänge absolviert, was größtenteils auch gelang.
Weiterführende Lehrgänge wie Maschinist, Gruppen- und Zugführer, Umweltschutz und Technische Hilfeleistung fanden an der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal statt. Für alle Lehrgänge wurden die Mitarbeiter von ihrer eigentlichen Beschäftigung und Weiterbezahlung ihres Entgelts freigestellt. Zusätzlich fanden für alle Schichten zwei Mal pro Monat Übungsdienste nach der regulären Arbeitszeit statt.
Für die körperliche Fitness der Feuerwehrleute wurde im Carpet Centre ein Fitnessraum eingerichtet sowie der Besuch eines öffentlichen Fitness Centers von der Firma bezahlt.
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Die Atemschutzgeräteträger erhielten zusätzlich zu der Feuerwehrzulage, die jeder Feuerwehrangehörige erhielt, eine Sonderprämie für die jährliche Absolvierung der Atemschutzbelastungsübung.
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1991 wurde das 25-jährige Bestehen der Werkfeuerwehr in der Östringer Hermann-Kimling-Halle groß gefeiert. Im Rahmen von zwei Festabenden, so dass es jedem Angehörigen der Werkfeuerwehr möglich war, teilzunehmen, wurden Ehrungen durch das Land Baden-Württemberg, Auszeichnungen und Beförderungen durch das Werk durchgeführt. Als Erinnerung erhielt jeder einen Tonkrug mit Wappen der Werkfeuerwehr (Bild????). Ein üppiges Buffet sowie verschiedene künstlerische Darbietungen rundeten die Abende ab. Die Wertschätzung gegenüber der Werkfeuerwehr, besonders aber der geehrten Kameraden, wurde durch die Anwesenheit der Werkleitung sowie geladener Gäste aus der Politik und Feuerwehr zum Ausdruck gebracht.
Man sieht, dass sich das Werk seine Feuerwehr etwas kosten ließ.
Die Umstrukturierungen und Verkäufe des Werkes machten auch vor der Feuerwehr nicht halt. Es erfolgten Namensänderungen von ICI zu DuPont und letztlich zu INVISTA. Unter dem Namen DuPont erlebte die Werkfeuerwehr wohl ihre beste Zeit. Es fand, wie schon erwähnt, der Komplettaustausch des Fuhrparks statt. Neue, in ihrer Schutzwirkung für den Träger bessere Uniformen, wurden beschafft und kräftig in die Erweiterung des Werkes und des Brandschutzes investiert. Zum Ende der Ära DuPont war das Werk Östringen und damit auch die Werkfeuerwehr eigentlich in nahezu allen Belangen sehr gut positioniert.
Die zunehmende Verschärfung der wirtschaftlichen Situation auf dem europäischen Chemiefasermarkt führte ab 2004 zu teilweise einschneidenden Sparmaßnahmen im Faserwerk, die auch vor der Werkfeuerwehr nicht Halt machten. Der Verkauf der Bekleidungsgarnproduktion an Nilit 2006 und die Stilllegung bestimmter Teppichgarnbereiche machten der Werkfeuerwehr das Leben nicht leichter. Ab 2009 / 2010 wurde konsequent an der Schließung der Werkfeuerwehr gearbeitet. Mit Aufgabe der Teppichgarnproduktion war die Auflösung der Werkfeuerwehr endgültig besiegelt. Während des Betriebes der Produktion durch Nilit bis Ende März 2012 wurde die Werkfeuerwehr vom Landratsamt Karlsruhe auf Betreiben der Werkleitung INVISTA ab 2011 wieder zur Betriebslöschgruppe abgestuft. Der abwehrende Brandschutz wurde offiziell der Freiwilligen Feuerwehr Östringen übertragen und die noch beschäftigten Angehörigen der ehemaligen Werkfeuerwehr wurden zu Löschhelfern und Einweisern degradiert. Deren Führung und Koordination lag bis zu seinem plötzlichen Tod im März 2012 beim ehemaligen Kommandanten der Werkfeuerwehr Reinhold Mohr. Danach übernahm diese Aufgabe bei Nilit der letzte beschäftigte Zugführer der Normalschicht Andreas Haßfeld bis auch dieser am 30.06.2012 nach Abschluss der Rückbau- und Sicherungsmaßnahmen das Werk verließ.
Dank gebührt an dieser Stelle allen Kameraden der Werkfeuerwehr, welche durch ihr Mitwirken und ihre Leistung über Jahrzehnte hinweg zur Sicherheit der Arbeitsplätze im Nylonfaserwerk Östringen beigetragen haben. Ihnen ist dieser Bericht gewidmet.
Geschrieben nach bestem Wissen und Gewissen.
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Kommandanten der Werkfeuerwehr
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1964 – 1968 Brandmeister Artur Volz
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1969 – 1981 Hauptbrandmeister Willi Gehrmann
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1982 – 1992 Hauptbrandmeister Karl-Heinz Breitner
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1992 – 2011 Hauptbrandmeister Reinhold Mohr
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Fotogalerie zur Werkfeuerwehr
Es folgen Fotogalerien zu Feuerwehrübungen im Faserwerk aus verschiedenen Zeitabschnitten.
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