Christoph Wohlfarth unter Mitwirkung von Klaus Guddas

Neben dem Materialeinsatz und Lohnkosten zählten die Aufwendungen für Energie der größten Kostenblöcke im Östringer Faserwerk. Die Primärenergiearten Strom, Gas, Heizöl und Wasser wurden zugekauft. Die wichtigsten Stromverbraucher waren vor allem die Antriebe der Spinn- und Streckzwirnmaschinen, Trockner, Extruder, Stapelfaserlinien und Kompressoren. Dazu kamen die gewaltigen Klima- und Lüftungsanlagen, da die Spinn- und Streckzwirnprozesse eine genaue und konstante Einhaltung von Temperatur (um 20 Grad) und Luftfeuchtigkeit (um 65 %) in den Produktionshallen erforderten. In den hauseigenen Kesselhäusern wurde Diphylöl auf 300 Grad Celsius erhitzt, um das Polymer zu schmelzen und Heißwasser erzeugt.

Neben der Bereitstellung der notwendigen Energiearten musste vor allem eine durchgängige Versorgungssicherheit gewährleistet werden, da die Faserproduktion ein kontinuierlicher war und bereits eine Stromunterbrechung von wenigen Sekunden zu Unterbrechungen des Produktionsprozesses und damit zur Abkühlung und Verhärtung der Polymerschmelze in den Spinnmaschinen führen konnte. Dies konnte zu einem Produktionsausfall führen und zog aufwändige Reinigungsarbeiten an den Spinnköpfen und Düsenpacks nach sich, da diese ausgebaut, ausgebrannt und gereinigt und danach wieder eingebaut werden mussten.

Durch eine redundante Auslegung der wichtigsten Energiesysteme sollte sichergestellt werden, dass die angeschlossenen Verbraucher ohne Unterbrechung versorgt werden konnten.

Stromversorgung

Beim Werksaufbau war die Firma BBC (Brown, Boveri & Cie), Mannheim, für die Ausführung und Bauleitung der Stromversorgung verantwortlich.

Um die spezifischen Anforderungen hinsichtlich der Versorgungssicherheit zu gewährleisten, erfolgten die Einspeisungen über zwei voneinander unabhängige Systemen aus dem Überlandnetz des Badenwerks: als Haupteinspeisung eine 110 kV Hauptleitung sowie eine Noteinspeisung mit einer Spannung von 20 kV, um im Notfall eine verminderte Betriebsleistung sicherzustellen.

Als Verteilungsspannung entschied man sich für 10 kV-Leitungen. Diese versorgten die einzelnen Transformatorenstationen, welche dezentral entsprechend den Anforderungen des Betriebes untergebracht waren. Die größte Station mit acht Transformatoren und vier Niederspannungshauptverteilungen befand sich im Spinnturm.

Über eine Niederspannungsschaltanlage waren je zwei Trafos innerhalb von 100 Millisekunden miteinander koppelbar, ohne dass dies zu Produktionsausfällen geführt hätte.

Diesel-Notstromaggregat, 380 V, 400 kVA

Für den Fall des gleichzeitigen Ausfalls der 110-Kv-Anlage sowie der 20-Kv-Anlage (Noteinspeisung), der zu einem längerfristigen Stromausfall geführt hätte, stand ein Dieselgenerator für Notstromversorgung des Diphyl-Kesselhauses bereit.

Dank der aufwendigen Sicherungsmaßnahmen konnte die durchgängige Energieversorgung während der gesamten Lebensdauer des Faserwerkes in hohem Maße sichergestellt werden. Ganz vermeiden ließen sich schwerwiegende Produktionsausfälle dennoch nicht, wie ein Vorfall aus dem Jahr 1977 zeigt:

BNN-Bericht aus dem Jahr 1977 über einen Stromausfall im ICI-Faserwerk und seine Folgen