Autor: Otto Mayer
Einleitung
Für die Entwicklung der Kunstfasern, die wir heute Chemiefasern nennen, waren von Anfang an die Eigenschaften der Naturfasern die wichtigsten Bezugsgrößen. Aus diesen Eigenschaften leitete sich die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Textilfasern für die Entwicklung der menschlichen Zivilisation ab.
Der Beginn der Zivilisation wird allgemein mit der Beherrschung des Feuers zur Konservierung und Zubereitung von Nahrungsmitteln durch Abtötung von Krankheitserregern, insbesondere bei Fleisch und Fisch, in Verbindung gebracht. Als weitere wichtige Entwicklungsstufe gilt der Beginn der Seifenherstellung durch die Sumerer vor ca. 4.500 Jahren. Diese hielten auf einer Tontafel die Rezeptur für eine Heilsalbe fest, die als Vorläufer von Seife angesehen werden kann. Aber erst die Römer entdeckten ab dem 2. Jahrhundert n. Chr., dass die von den Arabern benutzte und weiterentwickelte Rezeptur auch sauber macht und setzten sie folglich sowohl zur Körperpflege als auch zum Waschen von Textilien ein. Ein weiterer Meilenstein in der kulturellen Entwicklung der Menschen war in diesem Zusammenhang die Nutzung von Fasern zur Herstellung von Textilien und Bekleidung zum Schutz vor Wetter und Umwelteinflüssen.
Die Versorgung mit Naturfasern war in den Weltregionen aufgrund der klimatischen Bedingungen sehr unterschiedlich. So konnte in Europa über Jahrhunderte nur Flachs angebaut werden, um daraus Leinen herzustellen. Die Gewinnung der Wolle setzte eine erfolgreiche Schafzucht voraus, die sich, aus dem Süden Europas kommend, langsam nach Norden ausbreitete. Das Fleisch der Schafe hatte zudem den Vorteil, als zusätzliche Nahrungsquelle die vorhandene Tierhaltung zu ergänzen.
Baumwolle wurde über Indien, Ägypten und Spanien nach Europa eingeführt. Die Gewinnung war auf subtropische Länder wie den indischen Subkontinent beschränkt. Erst mit der Entdeckung der Neuen Welt und dem Seeweg nach Asien konnten zusätzliche Bezugsquellen für die Baumwolle erschlossen werden. Neue Anbaugebiete entstanden besonders schnell in den Südstaaten der USA, auf den Inseln der Karibik, in Brasilien und Australien.
Die industrielle Revolution begann ab 1750 in der Textilindustrie in England. Mit ihrer zunehmenden Leistungsfähigkeit wuchs der Bedarf an Textilfasern sprunghaft an. Neben der Wollindustrie entstand in weiten Teilen der Welt eine schnell wachsende Baumwollindustrie. Der Wollindustrie erschlossen sich mit Australien und Neuseeland neue Bezugsquellen.
Die Seidenherstellung war Jahrhunderte auf China beschränkt, das sich durch strikte Geheimhaltung ein Monopol sicherte. Der lange Handelsweg über die Seidenstraße machte sie zu einem teuren und exklusiven Handelsgut, sie war der Inbegriff von Luxus. Auch nachdem Eier des Seidenspinners aus China nach Europa kamen, blieb die Seidenproduktion aufgrund der geringen Erträge kostspielig und Kleidung aus Seide für die breite Masse der Menschen weiterhin unerschwinglich.
Schlussendlich war aber die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und Amerika mit ihrem immer größer werdenden Bedarf an Rohstoffen für ihre schnellwachsende Industrie und Bevölkerung im 19. Jahrhundert entscheidend für die Erfindung der Kunstseide und Kunstfaser. Hinzu kam die Importabhängigkeit vieler Länder, auch Deutschlands, welche sich besonders in der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren negativ auswirkte. Durch den Ersten Weltkrieg hatten viele Importprodukte strategische Bedeutung erlangt. Dazu zählten neben Salpeter und Guano aus Chile zur Sprengstoff- und Düngemittelherstellung auch Kautschuk von den Plantagen in Sumatra mit ihren langen Transportwegen.
In Deutschland machte man diese Importabhängigkeit verantwortlich für die Wirtschaftskrise der 1920er Jahre. Die Forschung und Entwicklung von Ersatzstoffen wurden zur nationalen Aufgabe erklärt. Die Folge in den 1930er Jahren war der staatlich geforderte und geförderte Ausbau von Viskosefaserwerken in ganz Deutschland, verbunden mit einem Wettlauf um die Patente für die wichtigsten Chemiefasern zwischen den damals führenden Akteuren DuPont de Nemours in Amerika, den IG Farben in Deutschland sowie der ICI in England. „Not macht erfinderisch“ war das Gebot der Zeit.
Von der Macht der Synthese zu den „Fasern nach Maß“
Die wichtigsten Synthesefasern, wie wir sie heute kennen, wurden in den 1930er und 1940er Jahren in etwa einem Jahrzehnt durch die „Macht der Synthese“ erfunden und veränderten die Welt der Textilien und unsere Kleidung. Sie ermöglichten, die Vorzüge der Naturfasern vergleichbar herzustellen, überboten diese jedoch in vielen Anwendungsbereichen. Die von der ICI Fibres entwickelte Tactel®-Faser aus Nylon 6.6 übertrifft Naturseide in allen Belangen und ist heute als pflegeleichtes Produkt allen Menschen erschwinglich zugänglich.
Ähnliches gilt für Wolle. Als Beimischung sorgen Chemiefasern für eine deutliche Verbesserung der Gebrauchseigenschaften. Bei Wollteppichen ist die leichte Anfärbbarkeit von Polyamid 6.6 entscheidend, da sie die Färbung zusammen mit der Wolle mit denselben Farbstoffen ermöglicht. Für eine vielfach bessere Abriebfestigkeit genügen 20 % Beimischung zur Wolle in Teppichen. Das Gleiche gilt im Textilbekleidungsbereich, wo Polyester- und Polyacrylfasern die Wolle in Mischungen aufwerten und perfekt ergänzen.
Auch die Ästhetik und der Griff der Wolle konnten mit Chemiefasern nachgestellt werden. Für den Teppichbereich haben dies die Fasern Timbrelle® und Tactesse® von ICI Fibres in Perfektion erreicht. Anzugstoffe in Wolle mit Polyesterbeimischungen sind heute ebenso Standard wie Baumwolle mit Polyester. Dafür gibt es bei Polyester den Woll-Fasertyp und den Baumwoll-Fasertyp für diese Mischungen. Chemiefasern sind die „Fasern nach Maß“ für jeden Anwendungsbereich und Anspruch mit entscheidenden Vorteilen im Wettbewerb gegenüber den Naturfasern geworden. Aus dem Alltag sind sie heute nicht mehr wegzudenken.
Waren Fasereigenschaften und wirtschaftliche Aspekte in der Vergangenheit wesentliche Kriterien, spielen heute die Umweltverträglichkeit der Fasern im Wettbewerb untereinander eine immer größere Rolle. Es sind „Umweltbilanzen“ im Stile von „Cradle-to-Grave“ (von der Wiege bis zur Bahre) gefragt, die den kompletten Lebenszyklus einer Faser berücksichtigen. Dazu gehören Wiederverwertbarkeit und Recyclingfähigkeit, wenn möglich für eine Materialkreislaufwirtschaft. Eine sehr große Bedeutung hat zukünftig die thermische Verwertung der mit Chemiefaserstoffen hergestellten Produkte aufgrund des hohen Heizwertes der Chemiefasern für die Energie- und Wärmegewinnung (Fernwärme).
Die Einteilung der Textilfasern erfolgt in Naturfasern und Chemiefasern unter Berücksichtigung des Textilkennzeichnungsgesetzes.
Naturfasern
Der Flachs war über Jahrtausende die erste Kulturpflanze für die Fasergewinnung. Funde in der Jungsteinzeit 3000 – 1800 v. Chr. im mitteleuropäischen Raum lassen auf eine regelrechte „Flachskultur“ schließen. Auch in Mesopotamien wurde zu dieser Zeit schon Flachs angebaut und in Ägypten brachten Mumienfunde Leinengewebe von höchster Feinheit („gewebter Wind“) zutage.
In Deutschland wurde der Flachs erst Ende des 18. Jahrhunderts durch die inzwischen immer billiger gewordene Baumwolle verdrängt.
Baumwolle wurde in Indien ebenso lange wie der Flachs im europäischen Raum verwendet. Auch in Amerika war die Baumwolle schon lange vor ihrer Einführung in Europa bekannt. Baumwolltextilien sind in den nördlichen Anden in Peru und Ecuador belegt. Die Navajo-Indianer hatten in Nordamerika schon vor Kolumbus Baumwollkleider. In Mittelamerika gab es erste Funde im Tal von Tehuacan. Die Mayas und Azteken betrieben Handel mit Baumwollstoffen als begehrtem Gut. In Europa breitete sich die domestizierte Baumwolle erst im 13. Jahrhundert durch die Araber über Spanien und Sizilien nach Norden aus.
Baumwolle ist auch heute noch die wichtigste Naturfaser der Welt. Die größten Anbaugebiete befinden sich in Indien und China, gefolgt von den USA und Brasilien, Pakistan, Usbekistan und der Türkei. Auf diese Länder entfallen 70 % der weltweiten Welt-Baumwollproduktion. Die Welttextilproduktion verarbeitet 40 % Baumwollstoffe. Als nachwachsender Rohstoff steht die Baumwolle nach wie vor hoch im Kurs. Durch ihre Feuchtigkeitsaufnahme punktet sie für körpernahe Kleidung (Unterwäsche) immer noch im Wettbewerb mit den Chemiefasern.
Allerdings ist hier heute das „Faserengineering“ der Chemiefasern entscheidend.
So wurde mit Coolmax ein „intelligenter“ Funktionsstoff entwickelt, der Komfort und Frischegefühl des Trägers erhöht. Durch den besonderen Querschnitt der eingesetzten Polyesterfasern (nicht rund, sondern vielzackig, „multilobal“) wird die Körperfeuchtigkeit durch die Kapillarwirkung schnell an die Stoffoberfläche transportiert, wo sie verdunsten kann und dadurch auch Kühlung erzeugt. Auf diese Weise funktioniert sie wie eine eingebaute Klimaanlage, da sie durch das Luftvolumen der Fasern auch wärmeisolierend wirkt. Tests haben gezeigt, dass Kleidung mit Coolmax® zehn Mal weniger Feuchtigkeit absorbiert und drei Mal schneller trocknet als Baumwolle. Coolmax®wurde von DUPONT DE NEMOURS aus Polyester entwickelt, dann zusammen mit anderen Markenfasern mit INVISTA 2003 in eine eigenständige Firma ausgegliedert und 2004 an KOCH INDUSTRIES in Wichita/USA verkauft. Als INVISTA APPAREL & ADVANCED TEXTILES BUSINESS wurde sie 2019 von der chinesischen RUYI-Group, einer der größten Textil- und Bekleidungskonzerne in China und Asien übernommen. Heute ist Coolmax® eine Marke der THE LYCRA COMPANY mit Sitz in Wilmington/USA, die auch andere von DUPONT DE NEMOURS entwickelte Marken wie Lycra® und Tactel® übernommen hat. Mehr als ein Viertel der Anteile an RUYI hält der chinesische staatseigene Investmentfonds JCUCU.
Dies ist nur ein Beispiel für erfolgreiches „Fibres-Engineering“ für besondere Ansprüche.
Heute erfolgt die Verarbeitung von Baumwolle für viele Bereiche in Mischung mit Chemiefasern, vor allem mit Polyester, das sie in punkto Pflegeleichtigkeit ideal ergänzt. Der in Monokultur betriebene Baumwollanbau ist jedoch durch hohen Wasserverbrauch, dem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden sehr umweltbelastend und steht daher im Fokus von Umweltorganisationen. Kritisch zu sehen ist auch das Ausmaß der Bodennutzung in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungspflanzen für Mensch und Tier. Oft wird gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern dem Anbau der Baumwolle zu sehr der Vorzug gegeben, da ihr Export der Beschaffung von Devisen dient.
Für die modernen Chemiefasern sprechen: lokale Produktion, Entfallen der Überseetransporte, rationelle Produktion durch integrierte Faserproduktion bei der Textilherstellung und Skalierungseffekte.
Integrierte Faserproduktion bei der Textilherstellung bedeutet, dass der Textilhersteller seine benötigte Faser im Schmelzspinnverfahren vor Ort selbst herstellt, wenn er einen wirtschaftlichen Eigenbedarf dafür hat. Dazu kommen zumindest in den Industrieländern hohe Standards bezüglich Umweltschutzes zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens.
Jute wurde ebenfalls schon sehr früh in Indien als Spinnfaser benutzt, fand aber in Europa z. B. als robustes Verpackungsmaterial, Säcke oder Grundgewebe für Tuftingteppiche und zur Herstellung von Fußmatten/Türvorlegern erst Mitte des 19. Jahrhunderts Beachtung.
Seide zählt zu den ältesten textilen Faserstoffen. Ausgrabungsfunde aus der Zeit 1800 – 1000 v. Chr. der Shang-Dynastie in China verbürgen die Verwendung mehrerer Seidenarten in hochentwickelten Webtechniken. Die Herstellung der Seide war über Jahrhunderte ein streng gehütetes Geheimnis. Bis in das 9. Jahrhundert beherrschten die Chinesen die gesamte Erzeugung und Ausfuhr von Seide.
Die „Seidenstraße“ zeugt von diesem wichtigen Handelsweg nach Europa. Die Führungsrolle ging dann an die Araber über, nachdem schon im 6. Jahrhundert Seidenraupeneier von Mönchen (wenn man den Erzählungen glauben darf) in ihren hohlen Pilgerstöcken nach Byzanz geschmuggelt wurden. Vom 14. Jahrhundert an waren die Italiener Marktführer für Seide in Europa.
Die Chemiefasern sorgten für perfekte Kopien der Seide mit pflegeleichten knitterfreien Eigenschaften. Echte Seide birgt auch eine Reihe von Umweltproblemen, so z. B. bei der „Erschwerung“ der Seide mit giftigen Chemikalien wie Zinnchlorid. Dies soll dem Gewichtsverlust beim Entbasten der Seide ausgleichen und den besonderen Seidengriff erzeugen. Daher wird echte Seide heute nur noch für ausgesprochene Luxusartikel verwendet.
Die frühesten Nachrichten über die Wolle als Hauptrohstoff der textilen Erzeugung und des Handels stammen aus Babylon und Ninive um 1000 v. Chr. In Kleinasien soll auch 800 – 700 v. Chr. das Wollschaf gezüchtet worden sein. Kleidung aus Wolle war bei den Ägyptern, Griechen und Römern sehr beliebt und galt als Kennzeichen höchster Kultur. Die Schafzucht ging von den Griechen auf die Römer und von diesen auf die Spanier über, die später das Merinoschaf züchteten.
Ausgehend von 29 Merinoschafen, die 1788 nach Australien eingeführt wurden, bevölkern heute über 160 Millionen Wollschafe die dortigen Weiden Australiens. Australien hält einen 25 %igen-Anteil der Weltproduktion. Es folgen China mit 18 %, USA mit 17 %, Neuseeland mit 11 %, Argentinien mit 3 % und die Türkei mit 2 %.
Ein Wollschaf bringt 3 – 12 kg Wollertrag bei der jährlichen Schafschur im Frühjahr. Auch die Wollproduktion führt durch Boden- und Abwasserbelastung zu Umweltproblemen. Bei der Haltung in großen Herden müssen die Schafe zum Schutz vor Parasiten 1 – 3-mal pro Jahr durch ein Pestizidbad, um sie vor Parasiten zu schützen. Da die Schafwolle als tierische Faser sehr anfällig für Insektenfraß (Kleidermotten) ist, muss sie entsprechend gewaschen und behandelt werden.
Somit ist die Wolle als Naturfaser im Wettbewerb mit der Chemiefaser deutlich im Nachteil. Mischungen mit Chemiefasern sind die erste Wahl, wenn es um die Verbesserung der Gebrauchseigenschaften und Pflege geht.
Übersicht Naturfasern
Chemiefasern
Chemiefasern aus natürlichen Rohstoffen
Schon seit dem 17. Jahrhundert sind Versuche im Labormaßstab bekannt, Fäden aus zähen, leimartigen Lösungen zu ziehen. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts markierten viele bedeutende zukunftsweisende Erfindungen wie die der Dampfmaschine 1769, der Spinnmaschine und des mechanischen Webstuhls 1785 den Beginn der ersten industriellen Revolution. Damit wurde die Textilindustrie in Lancashire in England zum Ausgangspunkt der Industrialisierung.
Da der chemische Aufbau der Baumwolle weitgehend dem der Cellulose entspricht, blieben erste Versuche nicht aus, Baumwolle in Lösungen zu bringen, aus denen sich Fäden ziehen lassen konnten. John Mercer (1791–1866) behandelte Baumwolle mit starker Lauge. Sein Ziel war eine bessere Anfärbbarkeit der Baumwolle, sodass er es bei einer kontrollierten Anlösung der Baumwolle beließ, die den Faserquerschnitt rund und glatt machte. Der so entstandene Glanz war der eigentliche Erfolg seiner Erfindung, die als „mercerisierte Baumwolle“ bis heute Verwendung findet.
Bei der Suche nach neuen Rohstoffen war man nicht alleine, denn auch die Papierindustrie befand sich im Umbruch. Die Technik der Papierherstellung (rein handwerkliche Erzeugung mittels Schöpfrahmen) und das Rohmaterial textile Abfälle („Lumpen“) blieben bis Ende des 18. Jahrhunderts unverändert. Der Rohstoffbedarf wuchs jedoch immer mehr an. Da Textilabfälle nicht in ausreichendem Maß vorhanden waren, musste man sich nach einem neuen Ausgangsrohstoff umsehen: Holz. Auf mechanischem Weg zerfasert, ergibt Holz den sogenannten „Holzschliff“. Auf chemischem Weg aufgeschlossen wird Holz zu „Zellstoff“. Dieser Produktionsweg revolutionierte die Papierherstellung.
Die Herstellung von Fäden und Fasern wurde vor allem durch eine andere Erfindung angetrieben: die Glühbirne. Schon 1802 war durch die Verbindung von zwei Kohlenstoffstreifen die erste Bogenlampe entstanden. Es brauchte eine Reihe weiterer Versuche, bis Thomas Edison 1880 die erste leistungsfähige Glühlampe für die kommerzielle Anwendung aus japanischem Bambus herstellen konnte. Die Herstellung eines carbonisierten Glühfadens blieb aufgrund des erzielbaren Preises aber weiter ein lohnenswertes Forschungsziel. Dabei kam die Herstellung von Cellulosefäden als Vorprodukt ins Spiel, welche so die textile Anwendung einleitete.
Die für die textilen Anwendungen entwickelten künstlichen Cellulosefasern konnten zunächst nicht als Ersatzprodukt an die Strapazierfähigkeit der natürlichen Cellulosefasern wie Baumwolle heranreichen. Sie zeichneten sich aber durch besonderen Glanz, Weichheit, Geschmeidigkeit und Preiswürdigkeit aus und konnten sich damit am Markt behaupten.
Bei endlosen Cellulosefäden sprach man zunächst von Rayon (Reyon) und Kunstseide, bei geschnittenen Cellulosefäden (Stapelfasern) von Zellwolle. Es entwickelten sich grundsätzlich vier verschiedene Verfahren zur Rayon- und Zellwollherstellung, die auch zu unterschiedlichen Eigenschaften führten. Es waren dies als Endlosfilamente Nitratrayon, Viskoserayon, Kupferrayon und Acetatrayon, unter dem Sammelbegriff Kunstseiden. Da sie alle zu Stapelfasern geschnitten werden konnten, ergaben sich daraus auch die vier verschiedenen Zellwollarten mit Nitratzellwolle, Viskosezellwolle, Kupferzellwolle und Acetatzellwolle. Als Überbegriff wurde der Begriff Kunstfasern verwendet. Erst mit der Erfindung der synthetischen Fasern wurden die Cellulosefasern den Chemiefasern zugeordnet, und zwar als Chemiefasern aus natürlichen Rohstoffen.
Das älteste Verfahren war das Nitratverfahren, welches heute keine praktische Bedeutung mehr besitzt. Das kostengünstigste Verfahren entstand mit dem Viskoserayon und der Viskosezellwolle, das mengenmäßig etwa 80% der Gesamtproduktion ausmachen dürfte. Die restlichen 20% verteilen sich auf Kupferrayon und Acetatrayon. Die Acetatfaser ist die teuerste regenerierte Cellulosefaser.
Das Herstellungsprinzip ist weitgehend das gleiche: Die aus cellulosehaltigen Rohstoffen gewonnene Cellulose bzw. deren Cellulosederivate werden in einem geeigneten Lösungsmittel zu einer hochviskosen Lösung gelöst und diese durch feine Düsen in ein Medium gespritzt, in dem die Bedingungen zur Lösung nicht mehr gegeben sind, so dass die in Lösung befindliche Cellulose in Faserform ausgeschieden wird.
Der dabei anfangs eingeschlagene Weg über die Nitrocellulose erwies sich als kostspieliger Irrweg. Erst das Viskoseverfahrenüber das Cellulose-Xanthogenat und Kupferrayon nach dem Cuoxam-Verfahren erwiesen sich für die industrielle Produktion als geeignet und ermöglichten den kommerziellen Erfolg dieser ersten Kunstfasern.
1857 entdeckte Eduard Schweizer (1818–1860) das nach ihm benannte Schweizer Reagens, das Tetramin-Kupfer-Hydroxid, als weiteres Lösungsmittel für Cellulose.
1862 schlug M. Ozanam in einer Druckschrift der Pariser Akademie der Wissenschaften die Verwendung von Düsen für das Ausspinnen von Fäden vor.
1883 wurde Joseph W. Swan (1828–1914) in England ein Patent für die Herstellung von Glühfäden aus in Eisessig gelöster Nitrocellulose erteilt. Swan erkannte auch die textile Verwendungsmöglichkeit seiner Fäden. Er nannte sie „Artificial Silk“, („Kunstseide“), und war damit gleichzeitig Erfinder des Namens, den sie 70 Jahre lang tragen sollte.
1891 schaffte Graf Hilaire de Chardonnet (1839–1924) in seiner Fabrik in Besançon/Frankreich die erste industrielle Produktion von Chemiefasern auf Nitrocellulose-Basis für textile Zwecke – Chardonnet-Seide – mit einer Tagesproduktion von 50 kg. Dieses Projekt scheiterte auch aufgrund der zu leichten Brennbarkeit der Fasern in den Kleidungstücken, und der Graf verlor damit sein ganzes Vermögen.
Die erste Herstellung von Cellulosefäden nach dem Kupferoxid-Ammoniak-Verfahren (Cuoxam-Verfahren) begann in Deutschland in Oberbruch bei Aachen mit der Carbonisierung für Glühfäden. Bald dachte man aber auch an die textile Verwendung und gründete 1899 die VEREINIGTE GLANZSTOFF-FABRIKEN AG, aus der später die ENKA AG hervorging. Das Cuoxam-Verfahren wurde von der J.P.BEMBERG AG entwickelt, die später von der GLANZSTOFF AG übernommen wurde (Bembergseide/Cuprofasern).
Ab 1926 wurde das Cuoxam-Verfahren auch bei der BAYER AG in Dormagen zur Herstellung von Cellulosefasern verwendet.
Nass-Spinnverfahren – schematische Darstellung
1891 entdeckten Charles F. Cross (1855–1935), Edward J. Bevan (1855–1921) und Clayton Beadle in England mit dem Xanthogenat-Verfahren eine weitere Möglichkeit, Cellulose in Lösung zu bringen.
1892 wurde das neue Verfahren in Deutschland und Großbritannien patentiert. Eine Lizenz für Zentraleuropa erwarb der schlesische Industrielle Fürst Henckel von Donnersmarck (1830–1915), der 1901 bei Stettin eine Viskosefabrik errichtete. Es gelang jedoch nicht, das englische Verfahren produktionsreif zu machen, sodass 1911 die GLANZSTOFF AG die Fabrik samt Lizenzen übernahm und das Xanthogenat-Verfahren rasch zur Produktionsreife brachte. Bis 1916 konnten alle GLANZSTOFF-Werke darauf umgestellt werden.
Die Cellulose blieb für fast 80 Jahre der Hauptrohstoff für die Chemiefaserherstellung in der Welt. Die Ursache ihrer besonderen Eignung für diesen Zweck, ihre makromolekulare Struktur, wurde allerdings erst anfangs der zwanziger Jahre durch die Arbeiten von Prof. Dr. Hermann Staudinger (1881–1965) entdeckt.
1904 meldeten die FARBENFABRIKEN FRIEDR. BAYER&Co in Elberfeld – Vorläufer der heutigen BAYER AG – die Herstellung von Acetatseide nach dem Trockenspinnverfahren zum Patent an. Es sollte noch über 20 Jahre dauern, bis die IG FARBEN Industrie 1926 zusammen mit der GLANZSTOFF in Berlin eine Acetatseidenproduktion anlaufen lassen konnte. Mit der Acetatseide war es zum ersten Mal gelungen, den Traum von der Seidenoptik mit einer Chemiefaser wahrzumachen. ICI FIBRES stellte 60 Jahre später mit Tactel® unter Beweis, dass die Gebrauchseigenschaften und der Tragekomfort noch übertroffen werden konnten.
Schon gegen Ende des Ersten Weltkrieges hatte man aus Viskosefilamenten durch Zerschneiden Spinnfasern hergestellt. Doch die glatten Fasern waren für das Verspinnen zu Garnen unbrauchbar und zu grob. Erst durch eine Kräuselung wurde eine brauchbare Viskosespinnfaser daraus. Das ermöglichte 1921 die KÖLN-ROTTWEIL AG in Premnitz. Als „Vistra“ machte sich die Spinnfaser in geeigneten Produkten bald einen guten Namen.
1932 brachte die GLANZSTOFF AG die „Flox“-Spinnfaser auf den Markt.
Mitte der 1930er Jahre wurden mit staatlicher Hilfe weitere Produktionsstätten für Viskosespinnfasern errichtet, die jahrzehntelang als „Zellwolle“ bezeichnet wurden. So gingen 1941 die PHRIX-WERKE AG aus der 1939 gegründeten PHRIX-ARBEITS- UND VERKAUFSGEMEINSCHAFT in Hamburg mit der Herstellung von Zellwolle, Kunstseide, Zellstoff, Nährhefe, Schwefelkohlenstoff hervor. Über die PHRIX-WERKE AG wird nachfolgend noch zu sprechen sein, denn viele Mitarbeiter des Nylonfaserwerks Östringen kamen in der Aufbauphase von der PHRIX WERKE AG nicht nur nach Östringen, sondern auch in den Faserverkauf von BRITISH NYLON SPINNERS (BNS) nach Stuttgart.
In dieser Zeit wurden auch Viskosefilament-Typen mit immer höherer Festigkeit für technische Anwendungen entwickelt, insbesondere als textile Einlagen (Karkassen) für Autoreifen. Erst die noch hochfesteren Polyamide verdrängten später die Viskose in diesem Bereich.
Die Produktion von Cellulosefasern war durch den hohen Wasserbedarf und die giftigen Abfallprodukte bei der Herstellung alles andere als umweltfreundlich. Die Flüsse in der Umgebung der Faserwerke waren jahrzehntelang vergiftet und der Fischbestand ausgerottet oder ungenießbar. Das alles ging einher mit einer Geruchsbelästigung und einer Verschlechterung der Luftqualität in der Nachbarschaft der Werke, es roch nach „Chemie“. Aus diesem Grund hatten die Chemiefasern aus Cellulose einen schlechten Ruf in der Bevölkerung an den jeweiligen Standorten.
Dieses schlechte „Image“ der Faserwerke spielte auch bei der Standortentscheidung für das Werk in Östringen eine größere Rolle als man sich das heute noch vorstellen kann. Viele Gemeinden in der Region waren nicht bereit, Gewerbeflächen für ein Faserwerk zur Verfügung zu stellen, da sie keine zweite BASF im Ort haben wollten. Der Bürgermeister von Östringen, Herr Kimling, erkannte jedoch sehr schnell, dass es sich um kein Chemiewerk, sondern um ein sauberes Faserwerk handelte. Die Polymere sollten fertig und sauber angeliefert werden. Die Produktion beschränkte sich nur auf das Erhitzen der Polymere zum Spinnen der Fäden und verlief absolut „trocken“. Es war also ein sehr sauberes Produktionsverfahren in einem zur damaligen Zeit umweltverträglichen Werk, dem der Umweltgedanke schon bei der Grundsteinlegung mit auf den Weg gegeben wurde, wofür Östringen später noch sehr beneidet werden sollte.
Zurück zur Geschichte der Chemiefasern in den 1930er Jahren.
Der Mangel an natürlicher Wolle erzeugte zu dieser Zeit in Deutschland durch seine auf Autarkie ausgerichtete Wirtschaftspolitik eine große Nachfrage nach Ersatzstoffen wie z. B. für Wolle. Dies führte zur Bezeichnung Zellwolle als Sammelbegriff für Kunstfasern.
Chemiefasern aus synthetischen Rohstoffen
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewann Kautschuk immer größere Bedeutung für die Bereifung der neu entwickelten Automobile. Als Naturprodukt war es in der Gewinnung sehr aufwändig und abhängig von Kautschukplantagen in tropischen Ländern mit langen Transportwegen nach Europa und Amerika. Im Ersten Weltkrieg wurde die strategische Bedeutung der Auto- und Flugzeugreifen schnell deutlich. So entstand ein Wettlauf auf der Suche nach einem Kautschukersatz auf chemischem Wege – dem Synthesekautschuk. Dieser intensiven Forschung verdanken auch die Chemiefasern ihre Entstehung, oft als Erfindung im zweiten Schritt, z. B. das Polyamide 6.6 (PA6.6) durch W. H. Carothers.
1913 wurde Fritz Klatte (1880–1934) das erste Patent auf die Erzeugung von Fasern aus einem synthetischen Rohstoff für Polyvinylchlorid (PVC) erteilt, ohne dass das Verfahren zunächst Verwendung fand.
Viel wesentlicher für die weiteren Entwicklungen waren die 1925 veröffentlichten Arbeiten von Prof. Dr. Hermann Staudinger (1881–1965) über den Bau von Makromolekülen. In zahlreichen Veröffentlichungen wies er die besondere Eignung von Linearpolymeren zur Faserbildung nach und gab so wichtige Hinweise für die Synthese von Faserpolymeren. Er erhielt dafür 1953 den Nobelpreis für Chemie.
1928 veröffentlichte Wallace H. Carothers (1886–1937) von der Harvard University eine Arbeit über die Polykondensation zu Ketten- und Ringmolekülen auf der Suche nach einem Kautschukersatz in Form von Elastomeren. Ihm wurde daraufhin zu diesem Zweck die Leitung einer Forschungsgruppe bei DU PONT DE NEMOURS in Wilmington (USA) übertragen. Schon 1930 fand er einen Polyester, aus dem sich verstreckbare Fäden ziehen ließen. (Chemiefasern werden nach dem Schmelzspinnverfahren verstreckt, um die Fasern zu verlängern und die Moleküle zur Erhöhung der Kristallinität im Innern parallel anzuordnen.) Weil ihm aber der Schmelzpunkt zu niedrig erschien, wandte er sich den Polyamiden zu.
1935 gelang es ihm, aus Hexamethylendiamin und Adipinsäure das Polyamid 6.6 herzustellen und daraus Filamente zu spinnen, die nach dem Verstrecken ausgezeichnete textile Eigenschaften in der Reißfestigkeit besaßen und erst bei 260 Grad Celsius schmolzen. Es war die erste, bei nahe 300 Grad Celsius, im Schmelzspinnverfahren hergestellte Chemiefaser.
DU PONT DE NEMOURS machte sich sofort daran, eine Produktion der dann Nylon genannten Fasern zu entwickeln. 1939 wurden diese auf der Messe in San Francisco vorgestellt und 1940 auf den Markt gebracht.
Die neue Faser schlug ein wie ein Blitz und faszinierte die Menschen. Am 15. Mai 1940 gelang DuPont mit dem legendären „Nylon-Day“ ein großer Marketing-Coup: Nylonstrümpfe, das erste kommerzielle Konsumerzeugnis aus dem neuen Material, wurden mit einer großen Werbeaktion zum ersten Mal in ausgewählten Kaufhäusern in den US-Großstädten zum Verkauf angeboten. Es war ein sagenhafter Ansturm. Vor der Eröffnung warteten bereits Tausende von Kunden auf Einlass und in den Geschäften kam es zu tumultartigen Szenen um die begehrten Stoffe. Die angebotenen fünf Millionen Paar Nylonstrümpfe waren binnen weniger Stunden ausverkauft. Dieses Ereignis begründete den Mythos „Nylon“. In den USA wird noch heute jährlich am 15. Mai mit dem sogenannten „National Nylon Stocking Day“ (Tag der Nylonstrümpfe) an dieses Ereignis erinnert.
Wallace Hume Carothers, der Mann, auf den all das zurückgeht, erlebte die Markteinführung der Nylonstrümpfe nicht mehr: Er litt zeitweise an Depressionen und nahm sich 1937 das Leben.
Schmelzspinnverfahren – schematische Darstellung
Inzwischen war es auch in Deutschland der IG FARBEN gelungen, ein durch die DUPONT-Patente nicht abgedecktes Polyamid zu erzeugen, das sich zu Fasern verspinnen ließ.
1938 konnte Prof Dr. Paul Schlack (1897–1987) im Werk Berlin-Lichtenberg, das Lactam der c-Aminocapronsäure polymerisieren, was vorher Wallace H. Carothers schon vergeblich versucht hatte. Caprolactam war entstanden, das zu Polyamid 6 (PA6) versponnen werden konnte. Sein Schmelzpunkt liegt mit 220 Grad Celsius niedriger als beim PA 6.6.
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Die Zahl 6 in der Bezeichnung von Polyamid 6 und 6.6 erklärt sich aus Anzahl der Kohlenstoffatome im Fasermolekül.
1939 wurden aus dem so erzeugten Polyamid 6 zunächst grobe Monofile gesponnen.
1940 wurden schon seidenartige feine Filamente gesponnen, die den Namen Perlon®erhielten. Infolge des Krieges konnte eine Großproduktion von textilen Perlon-Filamenten jedoch erst 1950 im GLANZSTOFF-Werk Oberbruch aufgenommen werden; also dort, wo 50 Jahre zuvor die erste Chemiefaserproduktion mit der Bembergseide/Cuprofaser in Deutschland begonnen hatte.
1941 gelang J. R. Whinfield (1902–1966) und J. T. Dickson bei der Firma CALICO PRINTERS in England die Polykondensation von Terephthalsäure und Ethylenglykol zu Polyester (PES). Damit ließen sich im Schmelzspinnverfahren bei 285 Grad Celsius Filamente, später auch Stapelfasern herstellen, deren Schmelzpunkt mit 253 Grad Celsius etwas niedriger als bei Polyamid 6.6 liegt.
1947 wurde CALICO PRINTERS von ICI (IMPERIAL CHEMICAL INDUSTRIES LTD) übernommen und J. R. Whinfield und sein Mitarbeiter nahmen dort auf der Basis seines Patents die Produktion der Polyesterfaser Terylene auf.
Von 1953 an produzierte DU PONT DE NEMOURS die Polyesterfaser Dacron.
Die HOECHST AG und die GLANZSTOFF AG erwarben 1953 die Lizenz und errichteten Produktionsstätten für ihre Marken Trevira® und Diolen®. Seit 1970 wurde die Produktion von Polyester stark ausgeweitet und zur weltweit wichtigsten Chemiefaser. Hauptherstellerland ist heute China.
1937 entdeckten Otto Bayer (1902–1982) und seine Mitarbeiter das Polyurethan, auf dem die Elastomere für Spezialanwendungen basieren. Die bekannteste Marke ist Lycra® von DUPONT.
Bereits Anfang der 1930er Jahre hatte Herbert Rein (1899–1955) vom IG WERK WOLFEN mit dem Polyacrylnitril ein weiteres Linearpolymer für die Faserherstellung erkannt. Da Schmelzspinnen wie bei den Polyamiden nicht möglich war, suchte er ein geeignetes Lösungsmittel.
1942 fand er Dimethylformamid und meldete es zum Patent an. Zwei Monate später meldete auch DUPONT DE NEMOURS die gleiche Entdeckung in den USA an. In Deutschland konnte die Acrylfaserproduktion erst Anfang der 1950er-Jahre im BAYER-WERK DORMAGEN aufgenommen werden. Acrylfasern wurden unter dem Namen Dralon® vor allem im Heimtextilienbereich als Polsterstoffe und Vorhänge vermarktet. Ebenso waren Handstrickgarne und Sofadecken wegen ihrer Wollähnlichkeit und Pflegeleichtigkeit sehr erfolgreich. In den USA wurde die Acrylfaser von DUPONT DE NEMOURS als Orlon® vermarktet.
Acrylfasern sind auch der Ausgangsstoff und die Vorstufe für die Herstellung der so wichtigen Kohlenstoff-/Carbonfasern als High-Tech-Fasern, die in ihrer Leichtigkeit und Festigkeit sogar Stahl übertreffen. In Östringen gründete ICI die ICI Fiberite, (heute CYTEC ENGINEERED MATERIALS GmbH SOLVAY), zur Verarbeitung dieser Carbonfasern für die High-Tech-Verbundstoffe. Als CFK (Carbon-Faserverstärkte-Kunststoffe) finden sie Verwendung im Rennsport (Formel 1), in der Luftfahrt und in der Raumfahrt.
Als weiterer Rohstoff diente die Gruppe der Polyolefine zur Faserherstellung. Dazu gehört Polyethylen und für Fasern der wichtigste Rohstoff Polypropylen (PP).Beide haben ihre größte Bedeutung bei der Herstellung von Hartplastik und Folien. Für Fasern wird das Schmelzspinnverfahren verwendet, entweder um Filamente oder Folien zu spinnen, die dann in schmale Bänder geschnitten und einzeln auf Garnspulen aufgewickelt werden.
Die Polyolefinfasern zeichnen sich durch ein sehr niedriges spezifisches Gewicht von weniger als 1,0 (spezifische Dichte von Wasser) aus und sind damit das leichteste Faserpolymer. Sie schwimmen deshalb auf Wasser und bei gleichem dtex (= dezitex = 1 dtex = 10.000 m Filamentfaden wiegen 1 Gramm) ergeben sie mehr Volumen als andere Chemiefasern. Das gibt z. B. in Teppichen mehr Deckkraft bei weniger Gewicht. Als Material nehmen sie keinerlei Feuchtigkeit auf, weshalb die Farbgebung aus einem Farbbad nicht möglich ist. Sie erhalten ihre Farbe durch Zugabe von Farbpigmenten im Polymer und werden so zu „spinndüsengefärbten Fasern“, was die Farbauswahl einschränkt. Dadurch eignen sie sich sehr gut für den Transport von Chemikalien und Nahrungsmitteln. Fischernetze und Seile werden in großem Umfang aus Polyolefinen hergestellt. Nachteile sind jedoch ihr niedriger Schmelzpunkt von 160 Grad und die leichte Brennbarkeit. Ihre anfangs schlechte Lichtbeständigkeit konnte durch Zugabe von Stabilisatoren verbessert werden. So haben sie im Nonwoven (Nadelfilzbereich) im Geotextilbereich als Baumaterial, z. B. Typar® von DuPont entwickelt, eine große Bedeutung erreicht und werden im Straßen- und Schienenbau, in Drainagen und bei der Erosionskontrolle eingesetzt.
Die Entwicklung von Polypropylen begann in Deutschland schon 1938, aber erst 1953 entwickelte Prof. Karl Ziegler (1898–1973) am MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR KOHLEFORSCHUNG in Mühlheim ein Verfahren zur Synthese von Polypropylen (PP), das für die großtechnische Anwendung mehr Erfolg versprach. Da 1954 Giulio Natta (1903–1979) und sein Team auch ein Patent anmeldeten, kam es zum Rechtsstreit über die Patentrechte. Beide erhielten 1963 den Nobelpreis für Chemie. Natta begann mit MONTECATINI 1956 die Produktion von Polyproyplen in Italien mit dem Markennamen Meraklon®.
Zu den größten Polyolefinherstellern in Deutschland gehörte die BASELL OLEFIN GmbH in Ludwigshafen mit dem Werk in Wesseling bei Köln. Der Name geht auf ein Joint Venture der Polyolefinaktivitäten von BASF und SHELL im Jahr 2000 zurück. 2008 entstand LYONDELL BASELL durch den Zusammenschluss von LYONDELL und BASELL und ist heute Weltmarktführer für Polypropylen und Polyethylen.
Polypropylen sollte sich zunächst als Filament für technische Anwendungen empfehlen. Fasern aus Polypropylen sind aufgrund ihres niedrigen Schmelzpunktes (160 Grad Celsius) kostengünstig herzustellen: Sie verdrängten die hochwertigen Polyamide, weil sie von der Optik sehr ähnlich sind. Polypropylen entwickelte sich aufgrund seiner günstigen Herstellungskosten zum zweitwichtigsten Standardkunststoff. Er wird nicht nur als Faser verwendet, sondern auch als Hartplastik vielseitig verarbeitet.
Ihre massenhafte Produktion als Billigwareprodukt, (z. B. Polyethylen-Verpackungs-Folien) und der gedankenlose Umgang der Verbraucher verursachen große Umweltschäden, wenn sie bei der Entsorgung nicht verantwortungsbewusst der Mülltrennung und damit dem Recycling zugeführt werden. Die Verschmutzung der Weltmeere ist ein ernstes Problem. Da Polyolefine auf dem Wasser schwimmen und durch ihre Festigkeit nahezu unverwüstlich sind, stellen sie eine tödliche Gefahr für viele Lebewesen im Ozean dar.
Chemiefasern aus anorganischen Rohstoffen
Für spezielle Anwendungsgebiete sind Glasfasern heute nahezu unverzichtbar, wie z. B. als Schlüsselinnovation als Glasfaserkabel in der Telekommunikation mit Lichtgeschwindigkeit, aber auch beim Brandschutz für die Isolierung oder als textile Tapeten ebenso wie Glasfasergewebe für GFK-Anwendungen (glasfaserverstärkte Kunststoffe z.B. im Bootsbau).
In Form von Metallfasern spielen sie eine Rolle, wenn es um elektrische Leitfähigkeit geht.
Und natürlich als Kohlenstofffasern (Carbonfasern), wenn Festigkeit mit geringstem Gewicht gefragt ist, wie im Flugzeugbau oder bei Weltraumfahrzeugen, zur Treibstoffeinsparungen.
Übersicht Chemiefasern
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Literaturverzeichnis / Quellen:
– Synthesefasern – Bela von Falkai, 1981, S.1, S.2, S.3
– Chemiefaserstoffe – Dr. Walter Loy, 1978
– Textilchemie und textilchemische Technologie – Hermann Rath 1962
– Internet Wikipedia