Autor: Dr. Klaus Guddas
Mit einem Abstand von mehr als 50 Jahren berichtet Dr. Klaus Guddas über seine Zeit bei ICI und im Faserwerk Östringen. Nach einem Studium an der Bergbauakademie in Clausthal und anschließender Promotion hatte es ihn in das Ruhrgebiet verschlagen, wo er 1965 seine erste Anstellung bei der Firma Thyssen fand, die er von der metallurgischen Seite und der Qualitätskontrolle der eingesetzten Erze und des erschmolzenen Roheisens betreute. Nach erfolgreicher Bewerbung bei ICI in Östringen, nahm er am 1. Oktober 1969 seine Tätigkeit als Betriebsleiter für die neu aufgebaute Polyesterproduktion auf. Es folgte eine intensive Einarbeitungsphase in das neue Sachgebiet und bereits im Februar 1971 übernahm er als Produktionsleiter die Gesamtverantwortung für den Bereich Polyester und erhielt Prokura. 1975 wurde er zusätzlich zum Leiter der Ingenieurabteilung ernannt und war in dieser Funktion für den Werksunterhalt und die Energieversorgung der Werke Östringen und Offenbach verantwortlich.
1969 und 1970
Im März 1969, auf der Rückfahrt vom Skiurlaub, fuhr ich mit meiner Verlobten an der Autobahnausfahrt Kirrlach-Kronau vorbei. Dabei erzählte ich ihr, dass ich mich in der Nähe, in Östringen, wo ein neues Werk der ICI gebaut wird, beworben habe und mir eine persönliche Vorstellung angeboten wurde. Gesagt – Getan! Umgehend nahmen wir die Gelegenheit wahr und fuhren dorthin. Dr. Heckmann empfing mich und Das Gespräch verlief zielgerichtet und harmonisch. Das Werk und die Atmosphäre nahmen mich ein, meiner Marlies war der ganze kleine Ort weniger ansprechend. So fuhren wir mit gemischten Gefühlen aus dem sonnigen Kraichgau erst einmal weiter zurück in die alte Heimat Ruhrgebiet, Mülheim- aus der sie kam. Ich stand am nächsten Tag wieder an meinen Hochöfen bei Thyssen in Hamborn und Ruhrort, die ich von der metallurgischen Seite und der Qualitätskontrolle der eingesetzten Erze und des erschmolzenen Roheisens betreute.
Aber der Stachel saß: das Gespräch in Östringen und weitere Kontakte zum Werk und Personen mit dem Reiz der Nähe von Heidelberg, der Pfalz (dort wohnte bereits meine Schwester mit Familie in Edenkoben), der Nähe zu den Skigebieten in der Schweiz, einer möglichen netten Wohnung in Wiesloch ließ den Entschluss reifen, doch bei der ICI anzufangen. Wir verbrachten noch einen Urlaub in Egmond an der Nordsee Ende Mai 1970. Dr. Heckmann holte mich an einem Nachmittag vom Strand ans Telefon unserer Pension mit der Frage, ob ich nicht bald mal anfangen wolle. Das waren noch Zeiten!
So begann meine Tätigkeit im Östringer Faserwerk am 1.10.1969 als Betriebsleiter der gerade erst aufgenommenen Produktion von Polyester (PES). Zunächst erfolgte die Einarbeitung in die neue Umgebung, Technologie und Mitarbeiter. Es herrschte eine positive Aufbruchsstimmung. Alle Kollegen waren mehr oder weniger neu dabei, wenige seit dem Start Mitte 1965. So auch meine engsten ersten Mitarbeiter D. Sperling für die Spinnerei und G. Westermann für die Streckzwirnerei.
Zunächst musste ich aber meine Familie gründen bzw. meine zukünftige Frau von Mülheim/Ruhr heiraten und ins Badische nach Wiesloch holen. Wir hatten dort in der Odenwaldstraße – gegenüber vom damaligen Einkaufsdirektor Bretschneider – eine nette Wohnung gefunden. So heirateten wir standesamtlich am 20.2.1970 und konnten Ende Juni in diese Wohnung einziehen.
Durch die Hochzeit und einige Tage Urlaub wurde die Einarbeitung kurz unterbrochen. Fortgesetzt wurde sie durch Nacht-Einsätze im Betrieb, um die Probleme des Schichtbetriebes bei Nacht kennenzulernen. Gespräche im TEA, mit der Entwicklung und der Qualitätskontrolle folgten. Einige Tage später saß ich bereits im Flugzeug nach London, um vom 6.-10. Juli an einem ICI Management Services Course in Kingston upon Thames mit jungen Führungskräfte-Anwärtern der gesamten ICI teilzunehmen. Das Schulungscenter in einer alten Villa mit großem Park, unweit von Wimbledon, war eindrucksvoll und stilvoll. Der Tag begann immer um 7 Uhr mit dem Klopfen an der Tür : “Good morning ,Sir! Tea is served!“ Die fachlichen Einführungen in Führungsstil der ICI, Fachthemen, Rollenspiele waren vorbildlich. Jeden Abend kam ein Board-Mitglied in die abendliche Gesprächsrunde, um ein Statement zu seinem Verantwortungsbereich abzugeben und Fragen zu beantworten.
Die Arbeit im Werk begann mit vollem Elan: Optimierung der Polyester-Wirbelschicht-Trockner, der Spinn-und Streckzwirn- Maschinen und der Terylene-Prozesse.
Doch es blieb auch noch Zeit für die ersten Schicht-Feste, wie das der A-Schicht am 23.10.1970, das der C-Schicht am 13.11.1970 sowie separate Treffen mit den Meistern der Spinnerei (9.12.) und der Streckzwirnerei (16.12.). Diese Treffen trugen stark zur Team-Bildung bei.
1971 und 1972
Am 1.2.1971 wurde ich zum Produktionsleiter Polyester ernannt und erhielt die Prokura. Es unterstanden mir zu diesem Zeitpunkt der Bereich Terylene mit der Spinnerei (D. Sperling), die Streckzwirnerei (G. Westermann ), die Produktionsüberwachung (D. Poschadel) und die Abteilung Spinndüsen (A. Zwicklowski). Später, ab 1.10.72, kamen noch die Qualitätskontrolle (R. Schadinger) und die Entwicklung hinzu. Dies hatte den Vorteil, dass das gesamte Team für den kompletten Ablauf von Produktion bis zum Endprodukt verantwortlich war.
Jetzt konnte das Ziel im Auge behalten werden : Qualität und Ausstoß! Das Thema „Es geht nicht“ gab es nicht. Probleme mussten gelöst werden. Die gab es natürlich, besonders was die Streifen-Anfälligkeit unseres Terylene nach der Anfärbung anging.
Das Jahr 1972 beschäftigte uns aber noch mit einer guten Auslastung. Ende 1972 bestand unser PES-Team aus etwa 300 Mitarbeitern, 2 Betriebsleitern, den Leitern der Qualitätskontrolle und Entwicklung und erreichten einen Ausstoß von etwa 18.000 Jahrestonnen.
Wichtig war auch der Erfahrungsaustausch mit den Kollegen in den ICI Werken, die ebenfalls Polyester verarbeiteten. So fand der erste Besuch in dem großen Werk Kilroot in Nordirland unter der Leitung von Ian Peacock statt , dem späteren Werkleiter von Östringen. Wir waren überrascht von der Größe des Werkes, dachten wir doch Östringen wäre schon groß. Aber Kilroot war eben ein vollständiges PES-Werk, allerdings mit den gleichen Schwierigkeiten der mangelnden Qualität bei der Anfärbung. Jedoch waren deren Kunden oder deren Endprodukte (noch) weniger kritisch als unsere.
1973
Das Jahr kann man im Nachhinein als Qualitäts- und Energie-Krisen-Jahr bezeichnen. Wir unternahmen viele Versuche, Gespräche und Konferenzen zu Themen wie Verbesserung der Polymer-Qualität, Vermeiden von Streifen-Anfälligkeit bei Terylene, Erhöhung der Produktivität und Anfälligkeit und Kosten unserer Energieversorgung, um der Krise entgegenzuwirken.
Zunächst erfolgte ein Besuch in Harrogate im Fibres-Research-Center. Da schilderten wir unsere Probleme mit den Heizplatten: das permanent notwendige Reinigen, das Feinschleifen der Oberfläche, die undefinierte „Rauheit“, die Ausfälle der individuellen Beheizung jeden Stranges usw.
An vielen dieser Reisen und Sitzungen nahm unser Betriebsleiter Dietmar Sperling teil, der den Aufbau des PES Bereiches von Anfang an mitgemacht hatte. Er kam aus der Textilbranche und hatte sie von der Pike auf gelernt. Zu dem Thema „Energieversorgung“ des Werkes Östringen möchte ich nur anmerken, dass die ursprünglichen Planungen natürlich auf die Erfahrungen und den Stand der Technik der Jahre 1960-1965 zurückgriffen. Damals war Energie noch billig und man konnte sie großzügig einplanen.
Die große Crux war, dass die alten Spinn- und Streckzwirnprozesse eine recht genaue Einhaltung von Temperatur (um 20 Grad) und Luftfeuchtigkeit (um 65 %) erforderten. Dazu mussten gewaltige Luftvolumina umgewälzt, gekühlt und befeuchtet werden. Da stießen wir insbesondere im Sommer in der Rheinebene mit häufigen Außentemperaturen über 26 Grad an die Grenzen. Das war zwar für die Weinbauern gut, aber für das Werk zu teuer, um die geforderten Bedingungen im Werk zu ermöglichen.
Wir organisierten zwei größere Polymer-Meetings in Rozenburg mit den entsprechenden Fachleuten am 17./18.4. und am 4./5.7. Dabei gingen wir alle Prozessschritte durch: Herkunft möglicher Verunreinigungen, Wasseraufnahme während der LKW Fahrten, Optimierung von Chargen u.a. Als „wesentliches“ Ergebnis ist mir die Einführung der „Guddas-Dichtung“ an den Kopf-Deckeln der Container in Erinnerung, was wohl zu einer deutlichen Verringerung des Wasser-Eintritts geführt hatte. Später wurden die kleinen Container gegen Groß-Container ausgetauscht, was ökonomisch und qualitativ ein bedeutender Schritt war.
Dann folgte der große Schock: Wie aus dem Nichts verkündete die OPEC die Kürzung der Erdölförderung. Es wurde die 1. Energie-Krise ausgerufen. Ab dem 25.11.73 wurden alle vier folgenden Sonntage in Deutschland mit Fahrverboten belegt. Wir konnten zu Fuß über die Autobahnen laufen! Damit setzte aber im Faserwerk bei uns eine große Hektik ein, wie man den Energiefragen der Gegenwart und Zukunft begegnen könne.
Damit war ich als Ingenieur gefragt, der vorher schon mit Energiethemen, Energiebilanzen, alternativen Energiearten konfrontiert war. Mir wurde kurz danach der gesamte Werksunterhalt samt Energie-Erzeugung unterstellt (ab 1975).
1974 und 1975
Zu dem Thema „Energieversorgung“ des Werkes Östringen möchte ich nur anmerken, dass die ursprünglichen Planungen natürlich auf die Erfahrungen und den Stand der Technik der Jahre 1960-1965 zurückgriffen. Damals war Energie noch billig und man konnte sie großzügig einplanen.
In Östringen hatten wir als wesentliche zugekaufte Energiearten Gas, Strom, etwas Heizöl und Mengen an Wasser. Die Stromverbraucher waren alle Antriebe unserer Trockner, Spinn-und Streckzwirnmaschinen, Extruder, Stapelfaserlinien, Kompressoren, gewaltige Klima-und Lüftungsanlagen, EDV-Anlagen usw. Die Wärme für die Schmelzprozesse der Polymere kam sehr effizient aus dem erhitzten geschlossenen Diphyl-Kreislauf aus unserem eigenen Kesselhaus. Die notwendige Energie zum Erhitzen bzw. zum Halten der Wärme erfolgte mit Gas, konnte aber auf Öl je nach Preis umgestellt werden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Faserwerk Östringen etwa einen ähnlich hohen Energieverbrauch hatte wie die gesamte Gemeinde Östringen.
Zum 1.1.1975 wurde ich noch zusätzlich zum Oberingenieur ernannt, verantwortlich für Unterhalt und Energieversorgung der Faserwerke Östringen und Offenbach. Das Thema Kaiserslautern als Texturierwerk hatte sich kurz vorher erledigt. Restarbeiten standen aber an.
Dann ging es an die Vorbereitungen und Durchführungen von Betriebsstillständen in Offenbach vom 16.6. – 7.7.1975 und dem zweiten großen Stillstand in Östringen vom 7.7.-27.7.1975. Das hatte für viele den Vorteil, gemeinsamer Ferien. Für uns in den Betrieben und in der Ingenieurabteilung war es allerdings mit erhöhtem Aufwand für Wartungsarbeiten verbunden: angefangen vom Kesselhaus über Reinigung aller Klimaanlagen, Unterflur-Entlüftungskanälen, Wartungen an E-Motoren usw. Bei diesen Stillständen konnten wir aber auch alle noch anstehenden „vorbeugenden“ Wartungen vornehmen, sodass wir später vorerst keine unnötigen Stillstände hatten. Abgesehen davon „sparten“ wir mit der gesamten Aktion erhebliche Mengen an Energie. Bei all diesen Maßnahmen waren unsere Fachingenieure mit ihren Mitarbeitern sehr gefordert, so: Klaus Eckstein (Mech. Unterhalt), Horst Wilkens, Wolfgang Wiegand (Energie), Hermann Stapf (Elektro), Manfred Müller (M&R), Arno Karwath (Bau) und der Bereich Sicherheit und Werksfeuerwehr (Hans Iffert).
Dringend wurden in dieser Zeit die Fragen des Energieverbrauches, dessen Reduzierung und Optimierung. So nahm ich bereits vom 12.-14.11.1975 an einem Energie-Seminar von der IHK HD-MA teil. Fortan nahm das Thema bei allen Maßnahmen Raum ein, wurde immer wichtiger. Wir waren unserer Zeit voraus, antizipierten vor uns liegende Probleme. Die wirtschaftliche Lage im Chemiefasermarkt wurde immer schlechter. Die Wettbewerber lieferten sich einen Ringkampf um Marktanteile und das Stemmen gegen den starken Import wurde immer brisanter. Wir planten deshalb sehr bald wegen drohendem Personalabbau, auch im AT-Bereich, eine Abfindungsregelung beim Ausscheiden nach 10/15/20 Jahren zu erarbeiten. Diese Regelung konnte ich als Vertreter der Leitenden Angestellten zeitnah mit Unterstützung von Finanzdirektor Dr. Hans E. Müller und Personaldirektor Hans-Jürgen Kremer durchsetzen. Der Personalabbau zur Kostenreduzierung war aufgrund der zusammengelegten Abteilungen, der Übernahme von Personal aus den zu schließenden Werken Kaiserslautern (Ende 1974) und Offenbach (31.12.77) und allgemeiner Rationalisierungen notwendig geworden. Diese Zeit bleibt mir unangenehm in Erinnerung, da man per Strichliste und kleinem Sozialplan Mitarbeiter zur Entlassung heraussuchen, ansprechen und Kündigungen aussprechen musste.
1976 und 1977
Die beiden Jahre 1976 und 1977 standen unter dem negativen Stern der Vorbereitung der Schließung von Offenbach, der möglichen Übernahme von dortigem Personal bei gleichzeitigem Abbau von Personal in Östringen. Gleichzeitig mussten Produktion, Qualität und Moral in Östringen und unter den Mitarbeitern bei intensiven Gesprächen mit dem Betriebsrat und der Personalabteilung für Gewerbliche, Herr Schemm, hoch gehalten werden. Das war ein schwieriger Spagat und traf natürlich nicht auf Gegenliebe. Der Personalbestand allein in dem Bereich Östringen PES Produktion und Gesamt-Unterhalt wurde um 100 Mitarbeiter reduziert. Ein Ventil ergab sich durch die Planung eines Chemiewerkes in Wilhelmshaven ab Anfang Mai 1977. Damit konnte ein Kompetenzteam aus Östringen abgetreten werden an die ICI-Europe, Petrochemicals Division.
Um die durch die Schließung des Werkes Offenbach wegfallenden Mengen aufzufangen, sollte die beschleunigte Einführung der neuen POY-Technologie für die Nylon- und Polyester Produktion in Östringen erfolgen. Diese technischen Maßnahmen trugen schon zu einem Teil der Energiekosten-Reduzierungen bei.
Ab Mai 1977 drehte sich aber mit der Ankündigung eines neuen ICI Werkes in Wilhelmshaven erneut die Rotationsmaschine der Aufgaben und Posten, die mit der Schließung von Offenbach bereits angekurbelt worden war. Nach Gesprächen in der ICI Europa Hauptzentrale in Brüssel und in der Zentrale der ICI Petrochemicals Division in Runcorn, saß ich dann Anfang Juni als Vertreter der ICI Europa zusammen mit Jeff Basker, später General Manager und Geschäftsführer bei ICI WHV, Harro Engelke, dem Personaldirektor der Deutschen ICI und dem Wilhelmshavener Oberstadtdirektor Dr. Gerhard Eickmeier an einem Tisch bei einer öffentlichen Anhörung zum Bau des geplanten Chemie-Komplexes u.a. für die Herstellung von Chlor, Natronlauge, Ethylen, Vinylchlorid und PVC! Als Leiter eines Informationsbüros der ICI vor Ort in Wilhelmshaven war ich als Liason-Manager verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Leitung und Durchführung des Genehmigungsverfahrens bis zum Vorbescheid unter Einhaltung aller Vorschriften nach dem BImSchV. Zu meiner Unterstützung wurden mit Martin Sonneberg, Horst Wilkens, Frau H. Schulze, A. Weidemann weitere Kollegen aus Östringen nach Wilhelmshaven abgestellt. Die Gesamt-Investition war auf knapp 1 Milliarde DM angesetzt. Die Vorgabe des ICI Mainboards war, dass der Vorbescheid zum Bau der Fabrik innerhalb von 12 Monaten eingeholt werden musste. ansonsten müsse man sich von dem ganzen Projekt zurückziehen. Für unser Team und mich blieb keine Zeit, an andere Dinge zu denken. Das Ziel war die Vorbereitung der Antragsunterlagen für den Vorbescheid. Diesem Ziel wurde alles untergeordnet.
Meine bisherigen Aufgaben im Werk Östringen wurden neu aufgeteilt: Die Ingenieur-Abteilung ging an G. Singer über, den PES Bereich verwaltete kommissarisch Dr. Muth.
Nach 12 Monaten intensiver Arbeit konnte ich am 12.7.1978 den genehmigten und unterschriebenen Vorbescheid vorlegen. Damait war das Hauptverfahren durch und das neue ICI Werk in Wilhelmshaven konnte nach einer Bauzeit von knapp drei Jahren im Juni 1981 eröffnet werden.
1978 und 1979
Nachdem meine Aufgabe als Liason Manager für das neue Werk in Wilhelmshaven beendet war, stellte sich die Frage nach meiner weiteren beruflichen Zukunft im ICI Konzern. Ein dauerhafter Wechsel nach Wilhelmshaven kam aus familiären Gründen nicht in Frage, zumal wir zwei Jahre vorher erst ein Haus in Wiesloch gekauft, umgebaut und uns dort gut eingelebt hatten. Allerdings war es schwierig, eine neue Position in Östringen zu finden, da meine Posten und Aufgaben im Faserwerk inzwischen verteilt waren, denn man hatte ja damit gerechnet, dass ich in Wilhelmshaven bleiben würde.
Es fanden verschiedene Gespräche im Headquater der ICI Europe in Eversberg / Brüssel sowie in der Fibres-Zentrale Harrogate und bei der Deutsche ICI in Frankfurt statt. Die Gespräche gingen nun in die Richtung der Suche nach einer Übergangslösung für mich bis sich im Konzern eine dauerhafte neue Position gefunden hätte.
So wurde ich von allen Funktionen in Östringen offiziell frei gestellt und übernahm zähneknirschend am 1.6.1979 die neu geschaffene Stelle des Fibres Division Energy Coordinators. Die Themen der Energie, Energieeinsparungen usw. hatte ich ja die ganze Zeit schon mit bearbeitet. In der neuen Funktion arbeitete ich eng mit allen Verantwortlichen in den Werken für Energiefragen zusammen und unterstand dem Technischen Vorstand der Fibres Division Dr. Iain Mc Farlane. Aus meiner vorherigen Tätigkeit kannte ich natürlich alle Werksleiter, Ingenieure usw. Mein Büro in Östringen behielt ich bei und war insofern auch dem Technischen Geschäftsführer dort, Dr. W. Heckmann, unterstellt. Ich hatte aber keine eigenen „Truppen“ mehr, sondern war auf die Zusammenarbeit aller Involvierten angewiesen.
Reisen in alle Werke der ICI-Fibres Group bestimmten jetzt den Ablauf mit dem neuen Ziel, die Energieproblematik bewusst zu machen und Lösungswege zu erarbeiten, denn die energieintensive Produktion bei ICI als Chemiekonzern und insbesondere bei der Chemiefaserproduktion führten zu einem immensen Kostenanstieg, der sich in einem von Überkapazitäten geprägten Fasermarkt nur bedingt über höhere Preise auf die Verbraucher abwälzen ließ. Aller Anfang ist schwer, aber die Kooperationsbereitschaft war groß. Es folgten Besuche der Werke Wilton (Fibres, Petrochemicals Division), Gloucester, Pontypool, Harrogate und eine lange Reise in die USA mit dem Fibres-Werk Charlotte. Dadurch reifte bei mir der Gedanke, das Thema Energie auch in der breiten Öffentlichkeit zu verankern und damit auf eine andere Ebene zu heben.
Das Thema Energie war bereits nach der ersten Energiekrise 1973 schon etwas in den Vordergrund getreten und verstärkte sich im Zuge der zweiten Energiekrise, die 1979/1980 durch den Umsturz im Iran und den darauf folgenden ersten Golfkrieg zwischen den Ölförderstaaten Irak und Iran ausgelöst wurde. Es ging darum, erst einmal deutlich zu machen, wo wieviel Energie verbraucht wird, welche Einsparungsmöglichkeiten es gibt und was jedes Werk und jeder Einzelne dazu beitragen kann.
„Energie ist Leben“- Tage der Energie
Zusammen mit der IHK und dem Badenwerk planten wir Informationstage zum Thema Energie. Mir ging es vordergründig um das Stärken des Bewusstseins für diese Problematik bei jedem Einzelnen und damit im Werk insgesamt. Dazu wurde als Schwerpunkttag der 6.10.1979 ins Auge gefasst, verbunden mit einem Tag der offenen Tür. Das war bei uns sonst sehr restriktiv gehandhabt.
Es ging um folgende Fragen:
1. Energieverbrauch je Familie oder Person
2. Mögliche Energieeinsparungen im privaten Bereich
3. Energieverbräuche bei ICI Östringen
4. Einsparpotentiale intern
5. Einsparpotentiale im Konzern
Dazu wurden Flyer, Broschüren erstellt, Vorträge gehalten und Rundgänge durchgeführt.
1980 und Abschied von der ICI
Das Jahr war voll geprägt von dem Thema Energie unter dem Einfluss der steigenden Preise für Rohöl, Benzin, aller Vormaterialien / Chemikalien für Polymere, von Gas und Strom. So rotierten wir zwischen Harrogate und München hin und her:
9.1.1980 London : Mainboard
29./31.1. Pontypool : Energy Coordinators Meeting
4.-8.2. Warren House, London : Europ.Energy Coord. Meeting
5.-6.3. Harrogate : Techn. Managers Meeting
26.-29.5. Zaragoza – Nurel : Energy Meeting
10.-12.6. Gloucester : Energy Coordinators Meeting
8.-12.9. München : World Energy Conference
Damit war wohl mein Bedarf an theoretischen Erörterungen und Konferenzen gedeckt. Man sieht jetzt in 2023, dass uns vor 40 Jahren die IT Techniken, insbesondere die Video-Konferenzen gefehlt haben!
Ohne diese Mittel und ohne eigene „Truppen“ sah ich keine Möglichkeit, meine Ideen direkt umzusetzen. Somit quittierte ich den Dienst bei ICI nach gut 11 Jahren.