Hermann Storck, Christoph Wohlfarth unter Mitwirkung von Dr. Wolfgang Seebach
Die Entwicklungsabteilungen und die Konstruktion spielten beim Werksaufbau und der späteren Erweiterung der verschiedenen Produktionsbereiche von Anfang an eine wichtige Rolle. Sie bestanden aus der Ingenieursabteilung und mehreren Verfahrensgruppen, die sich aus Verfahrensingenieuren und Technikern zusammensetzten und den technischen Leitern der jeweiligen Produktionsbereiche unterstellt waren. Ihre Aufgabe war die Entwicklung von technischen Lösungen für die Einführung neuer Produkte und Produktionsverfahren sowie die ständige Verbesserung der bestehenden Produktionsprozesse. Die Einführung neuer Produktionsverfahren wurde in der Regel auf speziell dafür bereitgestellten Entwicklungsmaschinen vorbereitet und getestet. Beispielhaft für die erfolgreiche Arbeit der Entwicklungsabteilungen seien hier die POY-Entwicklung im Schnellspinnverfahren sowie die Einführung des einstufigen Produktionsprozesses X-25 im Teppichgarnbereich genannt.
In diesem Bericht soll die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Technische Entwicklung/Konstruktion des Östringer Faserwerkes am Beispiel der Kräuseldüse, deren Funktionsweise über Jahre hinweg immer wieder an neue Anforderungen angepasst und verbessert wurde, gewürdigt werden.
Die Entwicklungsschritte der Kräuseldüse

Die Texturierung ist ein wesentlicher Schritt und ein wichtiges Qualitätsmerkmal für die Herstellung eines Endlosgarnes. Das gilt gleichermaßen für Endlostextilgarne wie auch für Teppichgarne. Dafür wurde dem frisch gesponnenen und gestreckten Faden eine dauerhafte Kräuselung, d. h. Volumen und Bausch verliehen. So sollten die textilen Eigenschaften einer Naturfaser aus Schaf- oder Baumwolle nachgeahmt werden: Elastizität, Formbeständigkeit, Wärmeisolierung und Feuchtigkeitsaufnahme. Auch für das gleichmäßige, streifenfreie Erscheinungsbild im Teppich sind eine gleichmäßige Kräuselung und Wärmebehandlung wichtig.
In den Anfangsjahren der Faserproduktion war es im Bereich der Endlostextilgarne oft so, dass Faserhersteller die Texturierung als eigenen Verarbeitungsschritt an Lohnveredler auslagerten. Durch die sich abzeichnende horizontale Integration des Produktionsprozesses wurden der Spinnprozess sowie die Verstreckung und Texturierung den 1970er Jahren zunehmend zu einem einstufigen Produktionsverfahren integriert.
Aufgrund des großen Einflusses auf Garneigenschaften und Ausbeute, begannen die verschiedenen Chemiefaserhersteller schon frühzeitig und unabhängig voneinander Verfahren zur Kräuselung von Nylon- und Polyesterfasern zu entwickeln. In der Anfangszeit erfolgte die Texturierung mit einem mechanischen Kräuselverfahren, womit eine zweidimensionale Kräuselung erreicht wurde.
In den 1970er Jahren entwickelte ICI Fibres bedeutende Innovationen im Polyesterbereich wie das Hochgeschwindigkeitsspinnen, um sich aus der Verlustzone im Polyestergeschäft herauszuarbeiten. Diese Innovationen bildeten zunächst die Grundlage für die Entwicklung der einstufigen T30-Garntechnologien im Bereich der textilen Polyesterendlosgarne und wurden anschießend auch in der Nylonproduktion umgesetzt. Ein Schlüsselelement dieser neuen Technologien war die Luftdüsentexturierung, die bei Produktion von Flachgarnen mit niedriger Denierzahl im textilen Bereich, z. B. für Strumpfwaren oder Sportbekleidung, zum Einsatz kam.
Mit der Aufnahme der Teppichgarnproduktion X-21 im Faserwerk Östringen kam das damals noch übliche mechanische Verfahren zur Garnkräuselung (Stauchkammerverfahren) zum Einsatz. Dabei wurde der Faden zwischen zwei Metallförderrollen in die Stauchkammer der Kräuseldüse gepresst. Der Druck, der von der in der Stauchkammer befindlichen Garnsäule auf die beiden Rollen ausgeübt wurde, bestimmte die Intensität der Kräuselung. Die Stauchkammer wurde elektrisch beheizt, um die Kräuselung zu stabilisieren. Über die Förderrollen konnten bis zu sechs Fäden verarbeitet werden. Eine Verwirbelungsdüse (Intermingler) sorgte für den Zusammenhalt der Fäden, bevor in einem letzten Schritt die Aufwicklung des Fadens auf Spulen erfolgte.

Parallel zur Einführung neuer Spinntechnologien bzw. mit der Modernisierung bestehender Spinnmaschinen, wurde auch an der Verbesserung des Kräuselverfahrens geforscht und neue Generationen von Kräuseldüsen entwickelt. Dabei setzte ICI im Teppichgarnbereich vor allem auf das Dampfkräuselverfahren. So wurden beispielsweise schon 1968 in Pontypool Versuche mit einer mit Dampf betriebenen Kräuseldüse durchgeführt, die im Gegensatz zur mechanischen Kräuseldüse eine dreidimensionale Kräuselung ermöglichte.

Eine Verwirbelungsdüse (Intermingler) sorgte für den Zusammenhalt der Fäden, bevor in einem letzten Schritt die Aufwicklung des Fadens auf Spulen erfolgte. Zum besseren Verständnis der Einflussfaktoren, die für die Bildung eines ausreichend großen und gleichmäßigen Bausches maßgeblich sind, bestand das Gehäuse der Kräuseldüse aus Plexiglas und war somit transparent. Mit einer Hitachi-Hochgeschwindigkeitskamera, die bis zu 10.000 Bilder pro Sekunde aufnehmen konnte, konnten so das Strömungsverhalten und die Verwirbelungen der Filamente im Dampfstrom visualisiert und analysiert werden.
Funktionsbeschreibung Dampfkräuselverfahren und schematischer Aufbau einer Kräuseldüse
Es folgt eine generelle Funktionsbeschreibung des Dampfkräuselverfahren für Teppichgarn:

- Verstrecktes und mit der Streckrolle auf ca. 200° C erhitztes Garn wird von oben in die Kräuselkammer eingeführt
- Über seitlich angebrachte Bohrungen wird das Garn unter Dampf mit ca. 300 °C und hohem Druck mit ca. 16 bar in der Dampfdruckkammer an einigen Stellen stark erhitzt.
- Am unteren Ende der Kräuseldüse wird durch einen kurzen Gegenluftstoß die sogenannte Stopfenbildung erzeugt, durch die ein permanenter Stopfen entsteht .
- Auf diesen Stopfen wird das Garn mit der von der beheizten Streckrolle vorgegebenen Geschwindigkeit (ca. 1500 m/min) geschossen
- An den oben erwähnten stark erhitzten Stellen wird das Garn unterschiedlich geknickt, was zum Bausch führt.
- Zwischen zwei Austrageröllchen wird der Stopfen in die Nute einer Kühltrommel geleitet und dort abgekühlt. Der Bausch bleibt so erhalten.
- Danach wird der Stopfen möglichst gleichmäßig aufgelöst und über weitere Galetten und einer Verwirbelungszone (Intermingler) zum Wickler geleitet.
Mit der Einführung des X-40-Teppichgarnprozesses in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurde – im Gegensatz zu der bisher eingesetzten Kompaktdüse – zum ersten Mal eine neu entwickelte, teilbare Kräuseldüse (CS6) eingesetzt. Der besondere Vorteil der teilbaren Kräuseldüse, an deren Entwicklung die von Dr. Tilo Becker geleiteten Verfahrensentwicklung maßgeblich beteiligt war, bestand darin, dass nach Prozessunterbrechungen der Faden mittels Saugpistole, d. h. ohne Verwendung eines Hilfsfadens, eingefädelt werden konnte.


Der Texturierungsprozess war sehr komplex, da es eine Vielzahl von Einflussgrößen auf die Kräuselung und Anfärbung und damit die Garnqualität gab, von denen jede einzeln oder in Kombination mit anderen Faktoren variiert werden konnte. Die Ergebnisse der Variationen waren oft sehr schwer vorhersehbar und konnten zu unvorhergesehenen Qualitätseinbußen führen.
Zunächst waren die Garnstärke der hergestellten Faser und das verwendete Polymer sowie die Spinngeschwindigkeit wichtige Faktoren, die aber kaum zu beeinflussen waren. Daneben gab es aber viele Einflussgrößen, die sich aus der Konstruktion der eingesetzten Kräuseldüse ergaben:
- Einzugsspannung des Garns, die wiederum von der Druckrohrlänge, Einlaufbohrung und dem Durchmesser abhängig ist
- Eintrittswinkel der Dampfrohre
- Dampfdruck und -menge sowie Dampftemperatur (diese musste gleichmäßig sein)
- Verwendete Spinnpräparation zur Vermeidung von Garnabrieb an Metall und Reibung
- Werkstoff der verwendeten Düse: Stahl oder Keramik
- Aufbau der Stauchkammer mit Einfluss auf die Stopfenbildung für eine gute Ablage des Garns
- Dampfabsaugung zur Trennung von Dampf und Garn
- Konstruktion des Schlitzteils / Austragteils zum gleichmäßigen Abzug des Garns
Die Einführung neuer Spinntechnologien wie das Schnellspinnen in Verbindung mit der Integration der einzelnen Verarbeitungsschritte (Spinnen, Verstrecken, Texturieren, Aufwicklung), aber auch die Einführung neuer Fasertypen (Microfasern), stellten immer neue und größere Herausforderungen für den Texturierungsprozess dar.
Zahlreiche Tests und Versuchsreihen führten daher im Laufe der Jahre zur Weiterentwicklung neuerer Generationen von Kräuseldüsen (CS1, CS2, …. CS16, usw.) innerhalb der ICI.

Auch andere Faserhersteller und Lieferanten von Spinntechnologie forschten und entwickelten weitgehend unabhängig voneinander an der Optimierung der Kräuselungstechnologie. Dabei kamen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. Manche Hersteller setzten auf Heißluft (Hot Air) anstelle von Dampf zur Kräuselung. Die so entwickelten Verfahren und Apparaturen wurden meistens als Betriebsgeheimnis behandelt und gegenüber der Konkurrenz geheim gehalten, da man darin einen Wettbewerbsvorteil sah. So entschied man beispielsweise 1979 bei ICI, eine Patentanmeldung für den Micro-Marl-Prozess zu unterlassen, obwohl diese Erfindung durch den Östringer Mitarbeiter, Hermann Storck, aus der Konstruktion, durchaus als patentfähig erachtet worden war. Damit sollte eine Offenlegung des Patents gegenüber den Mitbewerbern verhindert werden. Für den Micro-Marl-Prozess hatte er eine neue Dampfdüsentechnik entwickelt, die es ermöglichte, Garne aus unterschiedlich anfärbbaren Polymertypen so zu verwirbeln, dass interessante Farbeffekte im Teppichboden entstehen (Differential Dyeing).
Synergien durch Zusammenarbeit zwischen ICI und DuPont

Auch DuPont führte umfangreiche Forschungen im Bereich der Kräuseltechnik durch. So wurde1992 Prof. Dr.-Ing. Knut Kauder von der Technischen Universität Dortmund beauftragt, eine großangelegte Untersuchung über den Einfluss der Kräuseldüsen-Parameter auf die Garneigenschaften durchzuführen. Da nach Ansicht von Prof. Kauder eine Analogie im Strömungsverhalten eines komprimierbaren Gases (z. B. Heißluft, Dampf) und Wasser besteht, entwickelte er im Rahmen dieses Versuches ein Wasserbadmodel. Damit konnten die Strömungseigenschaften und der Einfluss von Störungen visualisiert werden. Die aus diesen Versuchen gewonnenen Erkenntnisse sollten in das Design der neuen Kräuseldüsen einfließen.
Nachdem durch die Übernahme des ICI Fasergeschäftes durch DuPont, zum 1. Juli 1993, aus den ehemaligen Konkurrenten plötzlich Partner geworden waren, entstand natürlich ein großes gegenseitiges Interesse, die Technologie des ehemaligen Konkurrenten kennenzulernen und daraus Synergien zu schöpfen. So galt DuPont beispielsweise als führend beim Garn-Engineering, wohingegen das von ICI eingesetzte Dampfkräuselverfahren mit den dazu entwickelten Kräuseldüsen als das beste Verfahren zur Garntexturierung anerkannt wurde. Es wurden gemeinsame Arbeitsgruppen mit Mitarbeitern aus Uentrop und Östringen gebildet, die Vor- und Nachteile der bei ICI und DuPont verwendeten Kräuseldüsen untersuchten. Hierzu wurden beispielsweise BCF Maschinen in Uentrop mit Östringer Kräuseldüsen vom Typ CS11 ausgerüstet und getestet. Umgekehrt wurden auf einige X-25 Maschinen in Östringen Kräuseldüsen von DuPont montiert. Daraus entwickelte sich dann die Idee für eine völlig neue Garnfamilie, die unter dem Namen Antron® Excel auf den Markt gebracht wurde. Das Garn bestand aus einer seidenähnlichen Hohlfaser mit optimaler Lichtstreuung durch parallellaufende Hohlräume, wodurch Schmutz und Flecken weniger sichtbar waren.

Six Sigma Projekt zur Düsenentwicklung
Im Jahr 2002 wurde im Rahmen der Six Sigma-Kampagne in Östringen ein Projekt zur Entwicklung einer neuen Kräuseldüse gestartet. Hintergrund war, dass im X-25 Produktionsprozess drei verschiedene Düsen, die für verschiedene Einsatzbereiche ausgelegt waren, zum Einsatz kamen. Ziel war die Entwicklung einer neuen Düse mit der Bezeichnung CS15, um die Merkmale der bisher genutzten Düsen CS12, CS13 und CS14 zu vereinheitlichen, d. h. höhere Geschwindigkeiten und einen höheren Bausch bei hoher Garnqualität.
In das Design der neuen Düse flossen die Erfahrungen mit den bisherigen Düsen ein; aber auch die Düsen verschiedener Hersteller wurden eingehend untersucht. Neben dem Düsendesign wurden auch die verwendeten Spinnpräparationen untersucht. Dabei waren im Wesentlichen die Ablagerungen auf der beheizten Streckrolle und die Reibung in den Düsen ein wichtiges Qualitätsmerkmal.

Mit dem Einsatz der neuen Düse konnte der Durchsatz von 1200 m/min auf 1600m/min gesteigert werden. Versuche mit Spezialpolymer aus den USA zeigten, dass die Düse auch in der Lage war mit 2000 m/min Garn zu verarbeiten.


Kräuseldüsenmanagement
Da die Qualität der eingesetzten Kräuseldüsen großen Einfluss auf die Garneigenschaften und Ausbeute hatte, wurde in den 1990er Jahren ein Kräuseldüsenmanagement in Form einer Access-Datenbank eingerichtet. Damit konnte die Düsenlebensdauer überwacht und eventuelle Beschädigungen der Düsen erkannt werden. Für jede einzelne Düse wurden die Einsätze aufgezeichnet und analysiert. Bei niedrigen Düsenstandzeiten oder häufigeren qualitätsbedingtem Ausbau wurden die Düsen ausgeschleust und nach entsprechenden Anleitungen behandelt.
Die Inspektion der Düsen, die zunächst in der Entwicklung erfolgte und ab etwa 1999 in die Produktion verlagert wurde, umfasste folgende Arbeitsschritte:
- Mikroskopische Untersuchung auf Beschädigungen
- Abziehen der Dichtfläche mit einem Abziehstein
- Gleichzeitige Überprüfung auf Parallelität, d. h. Prüfung der Dichtheit bei zusammengeklappten Düsenhälften
Testen der Düsen mit Garn an einem Produktionsprozess auf Anfärbung, Bausch und Einzugsspannung