Autor: Ingwald Brentle

Ein wesentlicher Teil des raschen Geschäftserfolges war das Vorhandensein einer qualifizierten Entwicklungs- und Qualitätsarbeit. Der vorliegende Bericht konzentriert sich auf die Qualitätsarbeit.

Qualitätssicherung im Herstellungsprozess

Schon mit dem Beginn der Faserproduktion wurde eine durchgängige Qualitätskontrolle als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die stets gleichbleibend gute Qualität des produzierten Garns angesehen. Neben der Eingangskontrolle des angelieferten Polymers war besonders die fortlaufende Überwachung wichtig, um frühzeitig Fehler im Herstellungsprozess erkennen zu können. Abschließend erfolgte die Endkontrolle des fertigen Produktes in der Sortierung. Dabei lag der Fokus auf der Eingangskontrolle des angelieferten Polymers, der fortlaufenden Überwachung des Herstellungsprozesses und vor allem auf der Endkontrolle des fertigen Produktes.

In der Aufbauphase wurden die meisten Qualitätsregelungen von den englischen Schwesterwerken übernommen, da hier auf bereits langjährige Erfahrungen in der Herstellung von Chemiefasern zurückgegriffen werden konnte. Die englischen Qualitätsregelungen wurden in die deutsche Sprache übersetzt und als Arbeitsanweisungen an die Mitarbeiter in den entsprechenden Abteilungen weitergegeben. Im Verlaufe der zunehmenden Eigenständigkeit und des Lernprozesses sowie der Kundenanforderungen wurden diese durch eigene Regelungen ergänzt oder ersetzt.

Hauptverantwortlich für eine durchgängige Qualitätskontrolle waren die Laboratorien, die sowohl die Rohstoffe und die Zwischenprodukte als auch das fertige Garn regelmäßig und eingehend prüften.

Beispiele für laufende Qualitätskontrollen während des Herstellungsprozesses:

  • Polymerprüfung
    Darunter fiel zuerst einmal die Prüfung der Etikettierung auf den Behältern und der Begleitpapiere, damit nicht die falsche Polymer-Type in die Behälter der Spinnmaschinen beschickt wurde. Zudem wurden von dem beschickten Polymer Proben entnommen und auf Polymertyp und Homogenität geprüft.
  • Fadenkontrolle und Garnprüfung
    Direkt an den Maschinen wurde der Herstellprozess nach präzisen Arbeitsanweisungen kontrolliert: Gleichmäßiger Fadenlauf; Düsenoberfläche sowie die Luftmenge im Kühlschacht mussten ständig überwacht werden. Spezielle Lampen und Stroboskope waren hier wichtige Werkzeuge. Ebenso wichtig war die ordnungsgemäße Wartung der Maschinen. Bei Abweichungen wurde sofort Alarm geschlagen.
  • Sortierung und Verpackung
    Vor der Verpackung wurde das in der Streckzwirnerei auf Kopsen (Garnhülsen) aufgespulte Garn in der Sortierung einer abschließenden Prüfung unterzogen. Um Verwechslungen bei der Vielfalt der verschiedenen Garnsorten zu vermeiden, musste bei der Etikettierung und Verpackung eine besondere Sorgfalt angelegt werden.

Qualitätssicherungssystem nach DIN ISO 9001

Die 1970er und 1980er Jahre waren die Zeit der raschen technischen Weiterentwicklung bei den weiterverarbeitenden Produktionsmaschinen unserer Kunden. Hauptziele waren immer schnellere Weiterverarbeitungsgeschwindigkeiten zur Produktivitätssteigerung, um mit der Preisentwicklung in Fernost Schritt halten zu können. Es war auch eine Zeit, in der die Textilindustrie nach und nach aus Deutschland verschwand. Ein großes Plus des Östringer Faserwerkes war die Lieferzuverlässigkeit und die unübertroffene Qualität.

Ausgehend von Firmen der Automobilindustrie in Japan und den USA entstand in dieser Zeit eine neue Qualitätsphilosophie: Statt wie bisher die Qualität am Produkt zu messen, sollte umfassendes Qualitätsdenken auf alle Arbeitsbereiche eines Unternehmens ausgeweitet werden. Spürbar wurde diese neue Entwicklung durch die vermehrte Anfrage von Kunden, vor allem aus der Automobilindustrie, nach dem Qualitätssicherungssystem ihrer Lieferanten. Da für ICI als einem der größten Chemieunternehmen die Automobilindustrie ein wichtiger Kunde war (z. B. Lacke, Polyurethan und Teppichfasern), wurde konzernweit entschieden, auf eine Zertifizierung der Qualitätssicherungssysteme hinzuarbeiten. In England existierte bereits mit BS 5750 ein Qualitätssiegel, nach dem die britischen Faserwerke der ICI in Doncaster und Gloucester zertifiziert wurden. Nach dem britischen Vorbild entstanden nun auch in Deutschland Qualitäts- und Umweltnormen auf der Basis von DIN ISO 9001 und DIN ISO 14001, um Qualitäts- und Umweltbewertungen verständlicher und vergleichbarer zu gestalten.

So wurde nun auch im Faserwerk Östringen zur Jahresmitte 1987 unter dem Motto „Qualität wie versprochen“ mit der Umsetzung der Anforderungen und Richtlinien zur Zertifizierung nach DIN ISO 9001 begonnen. Gemäß der neuen Philosophie sollte die Qualität nicht mehr nur am fertigen Produkt gemessen werden, sondern jeder Mitarbeiter sollte – unabhängig von seinem Arbeitsgebiet – das neue Qualitätsdenken verinnerlichen.
Helmut Ensslin wurde zum Quality Manager ernannt und war in dieser Funktion für die Einführung des neuen Qualitätssicherungssystems verantwortlich. In den einzelnen betrieblichen Bereichen wie Textile Filament, Carpets, Production Services, Engineering, Commercial Services und Verwaltung wurden Manager zur Qualitätskontrolle ernannt und sogenannte Quality Improvement Teams gebildet.

Die praktische Umsetzung der neuen Qualitätsphilosophie erforderte vor allem auch eine Bewusstseinsänderung jedes einzelnen Mitarbeiters. Mitarbeiterschulungen wurden abgehalten und eine Kampagne zur „Nullfehlerstrategie“ unter dem Motto „Machen wir es gleich richtig“ gestartet. Als begleitende Maßnahmen wurden an vielen Stellen im Werk Plakate zum Thema Qualität aufgestellt. Eine weitere wesentliche Aufgabe war die Erstellung eines Qualitätssicherungshandbuches, in dem alle Aufgaben und Abläufe zur Qualitätssicherung im Werk Östringen beschrieben waren.
Zusätzlich zu diesen Maßnahmen wurden Mitarbeiter als Auditoren im Qualitätsprüfungswesen ausgebildet, um regelmäßig interne Audits abzuhalten.

Nach 18 Monaten intensiver Vorarbeit war es dann im Dezember 1988 so weit: Die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen (DQS) verlieh dem Werk Östringen nach einem vier Tage andauenden Qualitätsaudit das Zertifikat DIN ISO 9001. Das war die 7. Zertifizierung und Auszeichnung in Deutschland. Das unterstreicht das Qualitätsbewusstsein im Östringer Faserwerk.

Bericht aus dem ICI-Spiegel Nr. 61, April 1989

Als sichtbares Zeichen dieses Erfolges durfte seitdem das DQS Prüfsiegel auf Briefköpfen und Verpackungen verwendet werden.

Auch in den folgenden Jahren führte die DQS regelmäßige Qualitätsaudits im Faserwerk durch, die zu einer Verlängerung des Zertifikates führten.

Bericht aus dem ICI-Spiegel Nr. 74, Juni 1991

Darüber hinaus wurden Lieferantenaudits zu einem wichtigen Bestandteil des Qualitätssicherungssystems. Hierbei besuchte ein Auditorenteam der ICI-Faserwerke die wichtigsten Lieferanten qualitätskritischer Materialien und prüfte das Einhalten von Qualitätsstandards.

Auf dem Höhepunkt des Markterfolges wurden die ICI-Faserwerke an DuPont verkauft. Die Sicherheitsphilosophie von DuPont ergänzte sich mit dem Qualitätsdenken von ICI zum Wohle des Produkts. Dabei setzte DuPont ab 1999 mit der Einführung von „Six Sigma“ auf eine neue Methode, um dauerhafte Qualität zu erreichen.